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04.04.2024 | Renato

Durch neue Herstellungsverfahren von Lebensmitteln entstehen auch neue Fragen. Als das Wort «vegan» definiert wurde, gab es weder die Präzisionsfermentation noch das kultivierte Fleisch.

Gründe für eine vegane Ernährung

Heute sprechen viele Gründe für eine vegane Ernährungsweise. Die Hauptthemen sind dabei: Tierschutz, Umweltschutz und Gesundheit. So vielfältig wie die Gründe sind, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen an vegane Lebensmittel. Im Folgenden sind (auf das in diesem Zusammenhang Wesentliche reduziert) verschiedene Definitionen des Wortes «vegan» aufgeführt.

Definitionen von vegan

Gesetzliche Definition

ParagrafDank Swissveg gibt es in der Schweiz eine gesetzliche Definition des Wortes «vegan» für den Lebensmittelbereich:

Lebensmittel können mit folgenden Bezeichnungen versehen werden:
… «vegan» oder «vegetabil», wenn sie weder Zutaten noch Verarbeitungshilfsstoffe tierischer Herkunft enthalten.

Hierbei ist wichtig zu wissen, dass der Gesetzgeber mit Kontrollen am Endprodukt arbeitet. Das heisst: Wenn ein Produkt im Laden tierische Substanzen enthält, gilt es nicht als vegan. Ein Wein, der mit Gelatine geklärt wurde, gilt jedoch als vegan, da die Gelatine vor Verkauf herausgefiltert wird.

ISO Definition

ISO-LogoDie internationale Standardisierungsorganisation ISO definiert es so:

Für Veganer geeignete Lebensmittel und Lebensmittelzutaten:
Dies sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (einschliesslich Zusatzstoffe, Aromen, Enzyme und Trägerstoffe) oder Verarbeitungshilfsstoffe, die keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs sind und in denen auf keiner Stufe der Herstellung und Verarbeitung Zutaten (einschliesslich Zusatzstoffe, Aromen, Enzyme und Trägerstoffe) oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs verwendet wurden.

Die Vegan Society UK

The Vegan Society UKDie weltweit erste Definition des Wortes vegan stammt von der Veganen Gesellschaft aus England. Dabei ging man hauptsächlich auf den ethischen Aspekt der veganen Lebensweise ein. Bezüglich Ernährung wird vegan dort folgendermassen definiert:

In der Ernährung bedeutet dies den Verzicht auf alle ganz oder zu Teilen vom Tier gewonnenen Produkte.

V-Label

V-LabelZur seriösen Zertifizierung von Produkten ist eine exakte Definition von vegan notwendig. Das V-Label hat dazu ein mehrseitiges Dokument erstellt. Die wesentlichen Punkte daraus lassen sich folgendermassen zusammenfassen:

Vegan sind Produkte, die keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs sind und bei denen auf allen Produktions- und Verarbeitungsstufen keine Zutaten, Inhaltsstoffe oder Komponenten (einschliesslich Zusatzstoffe, Trägerstoffe, Aromen, Duftstoffe und Enzyme) oder Verarbeitungshilfsstoffe oder Nicht-Zusatzstoffe, die auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck wie Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden, die tierischen Ursprungs sind, in verarbeiteter oder unverarbeiteter Form zugesetzt oder verwendet worden sind.

Präzisionsfermentation

Pulver mit LöffelDie Definition von Präzisionsfermentation gemäss Precision Fermentation Alliance (PFA) und Food Fermentation Europe (FFE):

«Die Präzisionsfermentation kombiniert den Prozess der traditionellen Fermentation mit den neuesten Fortschritten in der Biotechnologie, um eine Verbindung von Interesse, wie z.B. ein Protein, ein Geschmacksmolekül, ein Vitamin, ein Pigment oder ein Fett, effizient herzustellen.»

Die traditionelle Fermentierung verwendet konventionelle Mikroorganismen (Bakterien, Hefen oder Pilzkulturen) bzw. Enzyme zur Verarbeitung von Zutaten, die zu Produkten mit einzigartigem Geschmack oder Textur führen können (z.B. Käse, Tempeh, Sauerkraut, Wein, Bier, Sauerteig-Brot). Der Hauptunterschied ist, dass in der Präzisionsfermentation gezielt einzelne Moleküle produziert werden, die in der Regel nur in tierischen Produkten vorkommen – zum Beispiel Milcheiweiss.

Bei der Präzisionsfermentation können zur Herstellung des Moleküls tierische Gene aus einem Tier in Mikroorganismen eingebaut werden. Oder es werden Mikroorganismen genetisch so verändert, dass diese das gewünschte Molekül herstellen. In manchen Fällen kann jedoch auch ein bestehender Mikroorganismus (der aufwändig gesucht werden muss) direkt für den Herstellungsprozess verwendet werden.

Kultiviertes Fleisch

Hierbei werden tierische Zellen in eine geeignete Umgebung gebracht, damit sie sich ausserhalb des ursprünglichen Körpers vermehren können.
Durch ein Nährmedium «gefüttert», vermehren sich die Zellen sehr schnell und können direkt als Nahrung dienen.

Vorteile

Ein wichtiger Vorteil der beiden neuen Verfahren ist, dass diese gezielt genau das produzieren, was gewünscht ist. Es gibt also keine Schlachtabfälle und kaum andere unerwünschte Nebenprodukte. Dies macht diese Verfahren interessant. Zudem sind sie wesentlich schneller als der übliche Weg ein Tier zur Herstellung eines Produktes zu missbrauchen. Es kann auch gezielt auf die Zusammensetzung des Endproduktes Einfluss genommen werden.
Durch die beiden neuen Produktionsverfahren konnten grosse Fortschritte im Bereich Umwelt und Tierschutz erzielt werden.

Nachteile

Derzeit ist vor allem die Herstellung von kultiviertem Fleisch noch sehr teuer. Beide Verfahren nutzen in den meisten Fällen Gentechnik. Ob die Endprodukte gleich (un-)gesund sind, wie die herkömmlich produzierten, ist noch nicht definitiv erforscht.

Vegan?

Gemäss den derzeit gültigen Definitionen von «vegan» kann kultiviertes Fleisch, trotz der Vorteile beim Tier- und Umweltschutz, nicht als vegan bezeichnet werden. Es wird dabei schliesslich immer eine tierische Zelle als Ausgangsmaterial benötigt und das Endprodukt ist Fleisch. Nicht ganz so eindeutig kann man dies bei der Präzisionsfermentation sagen. Wenn jedoch ein Produkt daraus nicht von einem tierischen Produkt unterschieden werden kann, dann kann es nicht als vegan gelten, da sonst eine Kontrolle des Produktes vom Gesetzgeber nicht mehr möglich wäre. Dennoch hat ein mit Präzisionsfermentation hergestelltes Produkt, das neben dieser Zutat nur pflanzliche Zutaten enthält, fast alle Vorteile eines veganen Produktes. Es wäre jedoch aus gesundheitlicher Sicht sehr problematisch, wenn ein Nahrungsmittel, dass hauptsächlich aus Milchzucker oder Molkenprotein besteht, als vegan deklariert werden würde (wegen möglicher Unverträglichkeiten). Damit sich alle auf das V-Label verlassen können, werden Produkte, die fermentativ hergestellte «tierische» Zutaten enthalten, nicht als vegan deklariert.

Ausführlichere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Vortrag an der Veggie-World 2024 in Zürich:

 

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