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Stopfleber

Interview mit Jérôme Dumarty, Gründer des Vereins Stop Gavage

 

Jérôme, was hat dich dazu gebracht, den Verein Stop Gavage zu gründen?

Ich hatte das Gefühl, dass in Vereinen, welche sich nicht einem spezifisch tierrechtlichem Thema widmeten, den einzelnen Aktionsfeldern nicht genug Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt werden konnte. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, einen Verein zu einem zentralen Thema zu gründen. Mit der Gänsestopfleber dachte ich, ein Aktionsfeld gewählt zu haben, bei dem rasch etwas erreicht werden kann. Zum einen ist es so, dass 70% der SchweizerInnen diese überhaupt nicht konsumieren. Zum anderen ist das Stopfen in der Schweiz schon seit Langem verboten. Auf diesen beiden Errungenschaften kann man gut aufbauen und z.B. ein Importverbot verlangen, um so dem Konsum von Gänsestopfleber hierzulande ein für alle Mal den Garaus zu machen.

Wie erklärst du, dass der Import von Gänsestopfprodukten hierzulande immer noch erlaubt ist?

Die Produktion einerseits zu verbieten und andererseits den Import zuzulassen, ist eine riesige Heuchlerei. Streng genommen ist es eine Frage des internationalen Handels. Als Mitgliedstaat der WHO hat die Schweiz die GATT-Abkommen unterschrieben, welche sämtliche Barrieren gegen den freien Handel missbilligen. Um den Import eines Produktes, das in den anderen Vertragspartnerländern zugelassen ist, zu verbieten, braucht es standfeste Argumente. Dazu kommt, dass die Schweiz für gewöhnlich bei progressiven sozialen Veränderungen eher keine Vorreiterrolle einnimmt.

Warum ist das Stopfen mit Tierleid verbunden?

Ziel ist es, mit dem Stopfen bei den Vögeln, mehrheitlich Gänse und Enten, eine Krankheit herbeizuführen. Die Überfütterung bringt den Metabolismus der Tiere durcheinander. Die Leber beginnt in übermässigen Mengen und vollkommen wahllos Fett einzulagern, bis sie das Zehnfache ihrer Grösse und ihres Gewichtes erreicht. Diese kranke, fettgefüllte Leber wird dann unter dem Namen «Foie gras» vermarktet.

Mitunter gehört auch das Retten der betroffenen Tiere zu den Aktionen von Stop Gavage. Kannst du uns die Geschichte von Jay und Joy erzählen?

Jay und Joy sind zwei junge Entenmännchen, die den Kriterien der Fettleberindustrie nicht gerecht wurden und deshalb kurz nach dem Schlüpfen getötet werden sollten. Dieses Schicksal erleiden übrigens auch alle Weibchen, da diese prinzipiell nicht für die Fettleberproduktion in Frage kommen. Sie wurden also gerettet und in Sicherheit gebracht. Auf diese Weise konnten wir weitere sechs junge Weibchen retten.

Stop Gavage wurde im Rahmen der Umsetzung eines Postulats über die Deklaration von Produkten, die gegen die schweizerischen Standards verstossen, zu Rat gezogen. Worum ging es da?

Seit der Gründung von Stop Gavage haben wir die Motion von Matthias Aebischer unterstützt. Sie verlangt, dass Produkte, welche mit viel Leid verbunden sind, nicht importiert werden dürfen. Die Motion wurde vom Nationalrat angenommen, nicht aber vom Ständerat. Andererseits hat der Ständerat ein Postulat befürwortet, das besagt, dass Produkte, deren Herstellungsverfahren mit viel Tierleid verbunden sind oder deren Produktionsmethoden nicht mit den in der Schweiz zugelassenen Verfahren übereinstimmen, entsprechend deklariert werden müssen. Dies gilt sowohl für «Foie Gras» wie auch für Pelz, Eier aus Batteriehaltung, Leder von Reptilien usw. Da beide Kammern dieses Postulat angenommen haben, ist der Bundesrat nun dazu gezwungen, Gesetze zu erlassen. Bevor er ein Gesetz entwirft, konsultiert der Bundesrat alle Interessengemeinschaften, um die Folgen einer Umsetzung abzuschätzen. Wir wurden zu dieser Konsultation eingeladen, worauf wir ungemein stolz sind: Es zeigt, dass unsere Arbeit fruchtet und dass Stop Gavage in solchen Angelegenheiten als Ansprechpartner wahrgenommen werden.

Das offene Konsultationsverfahren bot uns die Gelegenheit, einen damit verbundenen Sachverhalt ins Rampenlicht zu bringen: das Problem mit der Entenbrust. Die meisten KonsumentInnen wissen das gar nicht, aber Entenbrust ist ein Nebenprodukt der Stopfleberproduktion! Als die Herstellung industrialisiert wurde und sich die produzierte Menge verzehnfachte, wussten die ZüchterInnen nicht, was sie mit den unzähligen Entenkadavern anfangen sollten. Deshalb haben sie die durch die Überfütterung mit Fett angereicherte Entenbrust als neues Produkt vermarktet. Es wäre absurd, eine Deklaration für die Stopfleber einzuführen und die Entenbrust nicht miteinzubeziehen, denn diese wird heute in der Schweiz als Luxusprodukt vermarktet!

Was kann man unternehmen, um das Stopfen und den Import der Stopfleberprodukte in die Schweiz zu verhindern?

Versuchen Sie, im eigenen Umfeld Bekannte zu überzeugen, auf Stopfleber zu verzichten, auch wenn diese sie nur einmal im Jahr konsumieren. In Frankreich werden drei Viertel der weltweiten Produktion hergestellt und konsumiert. Da die Romandie sich sehr an Frankreich orientiert, meinen viele WestschweizerInnen, genau wie die Franzosen und Französinnen, dass Stopfleber einfach dazugehört. Dieses Produkt war aber weder in der Schweiz noch in Frankreich je in irgendeiner Tradition verankert. Es ist relativ neu und mit enormen Tierleid verbunden.

Wir sind am Ende unseres Gesprächs angelangt. Möchtest du uns noch etwas mitteilen?

Dank meiner Arbeit rund um die Stopfleber habe ich heute viel mehr mit Lobbying zu tun. Dabei habe ich gelernt, dass diese Aktivitäten sehr wichtig sind und dass es unter den AktivistInnen an Leuten fehlt, die sich in diesem Gebiet einbringen. Ich bin der Meinung, dass jeder Verband versuchen sollte, mit PolitikerInnen ins Gespräch zu kommen, um Einfluss zu nehmen. Es ist wichtig, dass AktivistInnen ein entsprechendes Know-how aufbauen, um die Anliegen des Tierschutzes konsequent voranzutreiben.

 

 

Jérôme Dumarty

Seit vielen Jahren engagiert sich Jérôme Dumarty leidenschaftlich für den Tierschutz. Er ist Gründer und Präsident des Vereins Stop Gavage, der den Handel mit Geflügelmastprodukten in der Schweiz verbieten will.

 

Weitere Infos

2021-4
Production de viande

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Informations sur la transformation de la viande : de l’animal à l’assiette.

Animal, être vivant

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Rapport être humain - animal

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