Mit der Kampagne «Dein Genuss – mein Leben» macht Swissveg auf die anonymen Opfer aufmerksam, die hinter jedem Stück Fleisch stehen. Doch gegen eine fleischlose Ernährung gibt es nach wie vor viele Vorbehalte: Soja macht den Regenwald kaputt, pflanzliche Proteine sind minderwertig und die Schweiz ist doch sowieso perfekt für die Fleischproduktion geeignet. Was ist dran an diesen Behauptungen? Wir hinterfragen die Mythen und zeigen auf, warum der Verzicht auf Fleisch nicht nur problemlos möglich, sondern auch sinnvoll ist.
«Fleisch ist eine unverzichtbare Proteinquelle»
Der Glaube an die Unverzichtbarkeit von Fleisch basiert oft auf kulturellen Gewohnheiten und veralteten Vorstellungen. In Wahrheit ist der Verzicht auf tierische Produkte nicht nur problemlos möglich, sondern auch eine Chance, sich gesünder und bewusster zu ernähren – ganz ohne Tierleid. Denn trotz der weit verbreiteten Annahme, dass Fleisch unverzichtbar für eine proteinreiche Ernährung ist, zeigt die wissenschaftliche Datenlage, dass pflanzliche Proteine alle essenziellen Aminosäuren liefern. Für eine optimale Bedarfsdeckung empfiehlt es sich, übe den Tag verschiedene pflanzliche Proteinquellen zu konsumieren. Alles zum Thema Protein und wie eine vegane, proteinreiche Ernährung gelingt, erfahren Sie auf unserer Protein-Infoseite.
Seinen Proteinbedarf über Fleisch zu decken, ist zudem nicht nur aus ethischer, sondern auch aus gesundheitlicher Sicht keine gute Idee: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft verarbeitetes Fleisch wie Speck, Wurstwaren oder Schinken als «krebserregend» und rotes Fleisch als «wahrscheinlich krebserregend» ein. Gemäss aktueller Studienlage erhöht ein Konsum ab 50 g pro Tag die Sterblichkeit sowie das Risiko für Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.1,2 Wenn das mal keine guten Gründe sind, das nächste Mal ein Veggie-Steak zu grillieren!

«Euer Sojakonsum macht den Regenwald kaputt!»
Das wohl beliebteste und meist gehörte Argument – und trotzdem falsch. Denn rund 76 Prozent des weltweit produzierten Sojas wird als Futtermittel für sogenannte Nutztiere verwendet.3 Produkte wie Tofu, Sojamilch oder Tempeh dagegen machen weniger als 10 Prozent der weltweiten Sojaproduktion aus.4 In der Schweiz erhältliche Sojaprodukte wie Tofu und Sojamilch stammen zudem meist aus europäischer Produktion. Im Gegensatz dazu, stammt Soja für Tierfutter tatsächlich zu einem grossen Teil aus Regenwaldgebieten und führt in den betroffenen Gebieten zu grossen ökologischen Schäden wie Abholzung und Lebensraum-Verlust für zahlreiche Tierarten.5

«Ohne Fleisch drohen Mangelerscheinungen»
Die Vorstellung, dass wir ohne Fleisch automatisch einen Mangel an bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen haben, ist ein Mythos. Diese sogenannt kritischen Nährstoffe wozu etwa Eisen, Zink, Jod oder Vitamin B12 zählen, sind mit der Ausnahme von Vitamin B12 auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Letzteres kann problemlos über eine Supplementierung gedeckt werden. Es ist zudem ein Irrglaube, dass MischköstlerInnen automatisch perfekt mit allen Nährstoffen versorgt sind: Das schweizerische Ernährungsbulletin zeigt etwa, dass auch bei einer omnivoren Ernährung nicht alle Nährstoffe abgedeckt sind, wozu unter anderem Vitamin D, Folat, Pantothensäure, Kalzium, Jod, Eisen, Zink, Magnesium und Vitamin B12 gehören.6 Wie eine Ernährung ohne Fleisch funktioniert und auf welche Nährstoffe ein Augenmerk gelegt werden muss, erfahren Sie hier.
«Die Schweiz ist ein Grasland und somit perfekt für die Fleischproduktion»
Die Fleischwerbung vermittelt den Eindruck, dass die meisten Nutztiere ausschliesslich Gras fressen.7 In Wirklichkeit macht dieser Anteil jedoch nur einen äusserst geringen Teil aus: Die heutigen Hochleistungsrinder können die erforderlichen Erträge in der Regel nicht ohne (importiertes) Kraftfutter wie Soja erreichen. So wird für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch rund 170 Gramm Soja benötigt – nebst anderem Kraftfutter.8 Nutztiere wie Geflügel und Schweine ernähren sich zudem nicht von Gras: Sie benötigen Getreide oder Mais, also Lebensmittel, die für den direkten menschlichen Verzehr geeignet sind.9 Dadurch stehen sie in direkter Ernährungskonkurrenz zum Menschen. Das viel beworbene «Weidefleisch» existiert daher vor allem in der Werbung – die tatsächliche Fütterungspraxis sieht anders aus. Es gibt nachhaltige Wege, ländliche Räume zu entwickeln – ohne Tiere auszubeuten oder Umweltzerstörung zu fördern. Ein bewusster Verzicht auf Tierprodukte kann sogar dazu beitragen, unsere Erde für kommende Generationen lebenswert zu erhalten. Mehr zum Thema Grasland Schweiz erfahren Sie hier.

«Und was passiert denn mit den Landwirten?!»
Die Abhängigkeit von der Massentierhaltung schadet unserer Umwelt, unserer Gesundheit und den Tieren. Statt diese zerstörerischen Strukturen zu stützen, sollten wir in nachhaltige Alternativen investieren. Wenn weniger landwirtschaftliche Flächen für die Tierhaltung genutzt werden – etwa durch den Rückgang der Massentierhaltung – entsteht erheblich mehr landwirtschaftliche Nutzfläche. Dieses freiwerdende Land kann in vielfältiger Weise genutzt werden: Für den Anbau von Leguminosen für den menschlichen Verzehr, aber auch für andere Kulturen wie Getreide oder Gemüse. Das eröffnet LandwirtInnen neue Einkommensquellen und stärkt regionale Versorgungsketten. Denn hier besteht grosses Potenzial: Aktuell beträgt der Schweizer Selbstversorgungsgrad bei Proteinpflanzen nur zwei Prozent – das bedeutet, dass 98 Prozent des Bedarfs importiert werden.10 Leguminosen wie Erbsen, Bohnen, Linsen oder Kichererbsen sind nicht nur sehr nährstoffreich, sondern auch eine Schlüsselkomponente für eine nachhaltige Ernährung. Durch den Anbau von Leguminosen wird beispielsweise auch die Bodenqualität verbessert (da sie Stickstoff aus der Luft binden), was den Einsatz von synthetischen Düngemitteln reduziert und die Umwelt schont.

«Der Mensch hat doch schon immer Fleisch gegessen»
Der Mensch ist tatsächlich ein Allesfresser. Das heisst er kann – muss aber nicht – Fleisch essen. Der Verzehr von Fleisch ist eine kulturelle Gewohnheit aus einer Zeit, in der Ressourcen knapp waren – heute haben wir die Wahl für eine ethisch vertretbare Ernährung ohne Tierleid. Evolution bedeutet nicht, dass wir heute noch Tiere essen müssen; vielmehr zeigt sie uns, dass wir uns an veränderte Bedingungen anpassen können. Der Mensch hat sich schon immer den Gegebenheiten angepasst und das gegessen, was eben verfügbar war. Zudem haben Menschen nie ausschliesslich Fleisch gegessen. Unsere Vorfahren waren als JägerInnen und SammlerInnen unterwegs und konsumierten somit sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung.
«Wenn niemand mehr Fleisch isst, was passiert denn mit all den Tieren?!»
Die heutigen Nutztiere wurden einzig und alleine dafür gezüchtet, um als Fleisch-, Milch- oder Eierlieferanten zu dienen. Sie werden auf maximale Leistung gezüchtet, was zu grossem Leiden der Tiere führt. Die Folgen dieser leistungsorientierten Zucht, verbunden mit nicht artgerechter Haltung, sind gesundheitliche Probleme wie Lahmheiten, Knochenbrüche und ein vorzeitiger Tod. Zudem werden die meisten Rinder und Schweine künstlich befruchtet. Von natürlicher Fortpflanzung kann nicht die Rede sein, wodurch das Argument der unkontrollierten Vermehrung bei sinkendem Fleischkonsum hinfällig wird.

«Fleischersatzprodukte sind voll mit Chemie!»
Fleischalternativen werden häufig als ungesund abgestempelt, da ein hoher Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln mit einem erhöhten Risiko für ernährungsbedingte Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Doch Fleischersatzprodukte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Nährstoffzusammensetzung stark von anderen hochverarbeiteten Produkten und sind sogar gesünder als verarbeitetes Fleisch – sie liefern mehr Nahrungsfasern, gleich viel Protein und dabei erheblich weniger gesättigte Fettsäuren. Vegane Fleischalternativen können deshalb eine wertvolle Ergänzung einer ausgewogenen pflanzliche Ernährung sein. Davon können insbesondere FlexitarierInnen profitieren, da sie durch den bewussten Ersatz von Fleisch durch hochwertige pflanzliche Alternativen eine gesündere Wahl treffen können. Also beim nächsten BBQ ruhig wieder zu veganen Optionen greifen – die Tiere werden es danken! Was es bei der Auswahl der Alternativen zu beachten gibt, kann in unserem Blogpost nachgelesen werden. Des Weiteren gelingt eine vegane Ernährung selbstverständlich auch ohne Alternativprodukte: Pflanzliche Proteinquellen wie Tofu, Linsen, Bohnen, Seitan sowie Nüsse, Samen und Kerne enthalten hochwertiges Protein und sorgen für Vielfalt auf dem Teller.

1 World Health Organization. (2015, 26. Oktober). Cancer: Carcinogenicity of the consumption of red meat and processed meat. www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/cancer-carcinogenicity…
2 Farvid, M. S., Sidahmed, E., Spence, N. D., Angua, K. M., Rosner, B. & Barnett, J. B. (2021). Consumption of red meat and processed meat and cancer incidence: a systematic review and meta-analysis of prospective studies. European Journal of Epidemiology, 36(9), 937–951. doi.org/10.1007/s10654-021-00741-9
3 WWF Deutschland. (2022, 23. August). Soja - die Nachfrage steigt. www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/produkte-aus-der-landwirtscha…
4 Ritchie, H. & Roser, M. (o. D.). Soy. www.ourworldindata.org/soy
5 WWF Deutschland. (o. D.). Viehzucht und Sojaanbau befeuern Artensterben: Ergebnisse einer neuen WWF-Studie. www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/amazonien/wahlen-in-brasilie…
6 Wäfler, M. & Zuberbuehler, C. A. (2021). Wie gut ist die Bevölkerung der Schweiz mit Mikronährstoffen versorgt? Schweizer Ernährungsbulletin 2021, 3–5.
7 Schweizer Fleisch; Swissmilk: Schweizer Grasland und die Milch – das passt einfach
8 Souci, Fachmann, Kraut. (2020). Faktenblatt Soja Netzwerk Schweiz. https://www.sojanetzwerk.ch/fileadmin/user_upload/Soja_Faktenblatt_August_2020.pdf
9 Fleischproduktion ist ineffizient: Umweltfreundlich ist nur die Reduktion von Produktion und Konsum – auch bei Schwein und Huhn. Factsheet. https://www.wwf.ch/sites/default/files/doc-2022-12/2022_Poulet-%20und_S…
10 Argumentarium Initiative für eine sichere Ernährung.pdf. (o. D.). Google Docs. https://drive.google.com/file/d/1ZvhbgMl_vxWW9u0LSTSG1VrGSJJQcwcV/view