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17.02.2023 | Bettina

In den Sessionen diskutieren National- und Ständerat diverse Themen. Wir informieren über die wichtigsten Punkte und fassen die Resultate zusammen. Die Frühlingssession 2023 dauert vom Montag, 27. Februar bis Freitag, 17. März.

Soziale Kontakte für Esel, Maultiere und Maulesel

Esel, Maultiere, Maulesel und Pferde sind soziale Tiere, die in der Herde leben. Gemäss aktuellem Tierschutzrecht muss deshalb Sicht-, Hör- und Geruchkontakt zu einem anderen Pferd, Esel, Maultier oder Maulesel gegeben sein. Da Esel und Pferde sich in ihrem Verhalten stark unterscheiden, konstatiert die Motionärin Anna Giacometti (FDP) in ihrer Motion «Den Besonderheiten von Eseln, Maultieren und Mauleseln in der Tierschutzverordnung Rechnung tragen», dass Pferde kein Ersatz als Sozialpartner für Esel sind. Der Nationalrat hat die Motion mit 99 zu 75 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) angenommen: Die Tierschutzverordnung soll dementsprechend angepasst werden. Als nächstes wird die Motion im Ständerat diskutiert. 

«Schweizer Fleisch»: Ein bisschen Schweiz, viel Ausland

Die Motion «Die Deklaration ‹Schweizer Fleisch› und ‹Schweizer Eier› nur bei überwiegend inländischer Futterbasis» von Felix Wettstein (Grüne), wurde vom Nationalrat abgelehnt. Der Motionär forderte, dass die Herkunftsangaben angepasst werden. Das Prädikat «schweizerisch» sollte bei tierischen Produkten nur noch dann zulässig sein, wenn die Tiere mit inländischem Futter gefüttert werden. So sollte ein Produkt nicht mehr als «Schweizer Fleisch» deklariert werden dürfen, weil das Tier den überwiegenden Teil seines Lebens auf schweizerischem Staatgebiet oder in den Zollanschlussgebieten verbracht hat – wie es heute der Fall ist, sondern weil das Tier mit inländischem Futter gefüttert wurde. Der Motionär betont insbesondere auch, dass die Konsument:innen bei einem schweizerischen Produkt von einem ökologischen Vorteil gegenüber importierten Produkten ausgehen, obwohl dies unter der aktuellen Handhabung nicht der Fall ist. Denn ein Grossteil der Fütterung basiert auf importiertem Futter: Rund 60% der Ackerfläche in der Schweiz wird für den Anbau von Tierfutter gebraucht. Weitere 200'000 Hektar Ackerflächen benötigt der Anbau des in die Schweiz importieren Futtermittels.1 Daher macht auch der mit Millionen Steuergeldern geförderte Absatz der Schweizer Produkte keinen Sinn. Swissveg begrüsst diese Motion, da so endlich sichtbar gemacht worden wäre, wie stark die Schweiz vom Ausland abhängig ist, um den eigenen viel zu hohen Tierbestand halten zu können.

Einheimisches Gemüse stärken

Um die einheimische Gemüseproduktion zu unterstützen, werden die meisten Gemüse, die in der Schweiz produziert werden, mit einem Zollschutz geschützt. Dabei gilt in der Schweiz ein Zweiphasen-System: Es gibt eine bewirtschaftete und eine nicht bewirtschaftete Zeit. Während der bewirtschafteten Zeit ist das Schweizer Gemüse durch Zölle geschützt. Dadurch wird nämlich der Import von ausländischem Gemüse reguliert. Vor und nach diesen geschützten Phasen muss das einheimische Gemüse mit günstigem Gemüse aus dem Ausland konkurrieren. Weil diese Phasen in den letzten Jahren nicht angepasst wurden, obwohl sie sich durch klimatische Veränderungen und technische Möglichkeiten verschoben haben, musste immer wieder genussreifes einheimisches Gemüse vernichtet werden.2 Die Motion «Stärkung der einheimischen Gemüseproduktion» von Werner Salzmann (SVP) fordert deshalb eine Anpassung der effektiv bewirtschafteten Phasen. Eine Anpassung der Phasen sowie in einem weiteren Schritt eine sinnvollere Verteilung der Subventionen, trägt aus der Sicht von Swissveg zur Förderung der Produktion von Lebensmitteln zur direkten menschlichen Ernährung – und somit auch zu einem höheren Netto-Selbstversorgungsgrad – bei. Nachdem die Motion bereits 2022 vom Ständerat angenommen wurde, wurde sie nun mit einer kleinen Änderung auch vom Nationalrat angenommen.

Gesetzliche Grundlage für schädliche Subventionen gefordert

Die Motion «Keine neuen Subventionen, die der Biodiversität und dem Klima schaden» von Céline Vara (Grüne) fordert eine gesetzliche Grundlage für den Umgang mit schädlichen Subventionen. Neue Subventionen sowie die Änderung bestehender Subventionen sollen auf ihre Auswirkungen auf die Biodiversität und das Klima geprüft werden. Die Auswirkungen sollen mit einem Monitoring überwacht und regelmässig überprüft werden. Ausserdem sollen Massnahmen erarbeitet werden, um schädliche Subventionen aufheben oder kürzen zu können. Die Motion wurde nun vom Ständerat an die zuständige Kommission überwiesen, damit diese Rücksprache mit dem Bundesrat im Hinblick auf bereits geplante Schritte wie beispielsweise die Gesamtevaluation bezüglich der Biodiversitätsauswirkungen von Subventionen, die auf Ende 2024 geplant ist, nimmt. Eine bereits durchgeführte Studie zeigt: Viele Subventionen liefern falsche Anreize.

Äusserst wirkungsloser Einsatz von Subventionen

Der Bundesrat hat im Juni 2022 die Bundesverwaltung damit beauftragt, die Auswirkungen von acht Subventionen auf die Biodiversität zu untersuchen. Der Bericht steht noch aus. Doch eine bereits 2020 durchgeführte Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft kommt zum Schluss, dass 160 Subventionen falsche Anreize liefern und sich negativ auf die Biodiversität auswirken. Dies ist an sich schon höchst problematisch. Dennoch kommt hinzu, dass der Bund in den Klimaschutz und in Strategien für eine gesunde Ernährung investiert, während er zugleich mit den Subventionen Praktiken fördert, die diesen Zielen diametral entgegenstehen (siehe «Subventionspolitik vs. Kostenwahrheit» oder «Gesundheit vs. Fleischwerbung»). Von den ca. CHF 40 Mrd. an in der Studie quantifizierten Subventionen wirken CHF 15 Mrd. (39%) vollständig biodiversitätsschädigend. Weitere CHF 19 Mrd. (47%) sind partiell biodiversitätsschädigend und CHF 6 Mrd. (14%) sind je nach Umsetzung biodiversitätsschädigend. Demgegenüber stehen CHF 520 Mio. bis CHF 1.1 Mrd. (je nach Berechnung), die jährlich für die Biodiversitätsförderung ausgegeben werden.3

Wissenschaftler:innen für Abschaffung bestimmter Subventionen

So kommen die Autor:innen der Studie zum Beispiel im Hinblick auf die Absatzförderung für Fleisch und Eier zu folgendem Schluss:

Die Absatzförderung für Fleisch und Eier macht rund 2 Promille der landwirtschaftlichen Bundesausgaben aus. Auch wenn die Summe klein ist, dürfte sie die Fleisch- und Eiernachfrage fördern. Die Wirkung dieser Absatzförderung auf Biodiversität ist schwierig einzuschätzen. Allerdings ist die Förderung kaum begründbar, weil die Fleisch- und Eierproduktion vor allem über andere Instrumente unterstützt wird, und sie ist inkonsistent im Hinblick auf die Gesundheitspolitik und Ernährungsempfehlungen des Bundes (BLV, 2017). Dementsprechend sollte diese Subvention abgeschafft werden. Um ökologische Schäden nicht durch vermehrte Fleischimporte zu exportieren, könnten gleichzeitig die ökologischen Anforderungen an Fleischimporte erhöht werden.4

Auch die Absatzförderung für Milch sowie die Fördermittel für die Administration der Milchproduktion und Milchverwertung sollten laut den Wissenschaftler:innen ohne Ersatz gestrichen werden.5 Andere finanzielle Anreize, wie beispielsweise die Verkäsungszulage, sollten zumindest an biodiversitätsfördernde Kriterien gebunden werden, wie etwa einer «geringeren Menge betriebsfremder Futter- und Düngemittel».6 

Schluss mit diesen Widersprüchen

Die Subventionspolitik ist ein komplexes System, das sich von seinem ursprünglichen Ziel entfernt hat: Die Landwirtschaft finanziell darin zu unterstützen, einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad zu gewährleisten. Heute ist nicht nur der Selbstversorgungsgrad tief: Die Schweiz kann Netto nur ca. 50% der Bevölkerung ohne Importe ernähren. Auch sind heute Ziele in der Erhaltung der Biodiversität und des Klimaschutzes, denen sich die Schweiz verschrieben hat, wichtiger denn je. Wir von Swissveg fordern: Schluss mit diesen Widersprüchen! Wir unterstützen die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für den Umgang mit schädlichen Subventionen. Die Subventionen sollten an neu festgelegte Kriterien angepasst werden, um zu verhindern, dass Geld für die Biodiversitätsförderung und die Gesundheit der Bevölkerung ausgegeben wird, wenn zugleich mit noch mehr Geld Praktiken finanziert werden, die in diesen Punkten höchst schädlich sind.

Wie weiter mit der AP22+?

In der Wintersession 2022 liefen die Verhandlungen rund um agrarpolitische Themen schlecht: Mit einem knappen Entscheid wurde festgelegt, dass das Ziel zur Verringerung der Nährstoffverluste gesenkt wird. Das heisst, die Stickstoff- und Phosphorverluste müssen nicht mehr so stark reduziert werden, wie ursprünglich festgelegt. Im Hinblick auf die AP22+ widersetzte sich der Ständerat jeglichem Fortschritt im Hinblick auf die Ökologie und das Tierwohl betreffende Anliegen. 

Nun folgte der Nationalrat dem Ständerat mit grossem Mehr: Konkrete Klimaziele wurden im Landwirtschaftsgesetz nicht verankert. Auch wurde dem Tierwohl keine besondere Beachtung geschenkt. Es kommt also weder ein Absenkungspfad für Treibhausgase noch ein Ausbaupfad für mehr Tierwohl ins Landwirtschaftsgesetz. Rund zwanzig Minderheitsanträge wurden von den Grünen, der SP und der GLP im Hinblick auf Anliegen, die die Ökologie und das Tierwohl betreffen, eingereicht und abgelehnt: Die Berücksichtigung einer klima- und tierfreundlichen Produktion bei der Absatzförderung wurde abgelehnt. Auch die Absatzförderung auf pflanzliche Produkte zu beschränken, scheiterte im Nationalrat. Nachdem die Hornkuh-Motion in der Herbstsession 2022 abgelehnt wurde, kam dieses Anliegen im Rahmen der AP22+ erneut auf den Tisch und wurde abgelehnt. Swissveg bedauert, dass die Chance nicht genutzt wurde, die nötigen Reformen in der Agrarpolitik in Gang zu setzen. Wir werden uns deshalb weiter dafür einsetzen, dass auch in der Politik die Rahmenbedingungen so verändert werden, dass vermehrt pflanzliche Nahrungsmittel direkt für den menschlichen Verzehr angebaut werden.

Wie geht es weiter? Diese Beschlüsse bilden die zweite Etappe der AP22+. Als nächstes wird eine tiefergehende Reform ab 2030 angepeilt.

1 «Der Futtermittel-Schwindel», 2021, Greenpeace, S. 5

«Dutzende Tonnen von Schweizer Gemüse vernichtet», 2021, Infosperber

Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz, 2020, Projekt der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, S. 3

Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz, 2020, Projekt der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, S. 75

Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz, 2020, Projekt der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, S. 79

Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz, 2020, Projekt der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, S. 71

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