Verachtet und gejagt: Stadttauben, Mäuse und Ratten haben kein einfaches Leben. Doch einige Städte zeigen, dass es auch anders geht.
Sie picken an Bahnhöfen nach Abfall und Essensresten und werden vom Grossteil der Pendelnden keines Blickes gewürdigt: Stadttauben haben es schwer in unseren Städten. Sie finden weder artgerechtes Futter noch geeignete Nist- und Schlafplätze. Dass Stadttauben nur aufgrund des Menschen existieren, wissen die wenigsten: Die Vögel wurden vor rund 6 000 Jahren domestiziert und dienten über lange Zeit als Fleisch- und Eierlieferanten sowie Briefboten. Heute haben sie jedoch ihren ursprünglichen Nutzen für den Menschen verloren, sind obdachlos geworden und leben in den Städten. Ratten und Mäuse sind in unserem Stadtbild weniger sichtbar als ihre fliegenden Leidensgenossinnen. Im Unterschied zu Stadttauben wurden sie nie domestiziert. Bei ihnen handelt es sich um sogenannte Kulturfolger – Tiere, die dem Menschen aufgrund von Unterschlupf- und Nahrungsmöglichkeiten in dessen Siedlungen folgen. Die pelzigen Tierchen werden abschätzig als «Hygieneschädlinge» bezeichnet und gelten schon seit jeher als Seuchenträger. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sie für die Verbreitung der Pest im Mittelalter verantwortlich gemacht wurden. Doch daran gibt es Zweifel: 2018 fanden Forschende heraus, dass nicht Ratten- sondern Menschenflöhe und Kleiderläuse die gefürchtete Seuche verbreitet hatten.¹ In der Schweiz besteht heutzutage keine Gefahr durch Mäuse oder Ratten. Auch Stadttauben wird oft unterstellt, sie würden Krankheiten übertragen, viele Menschen ekeln sich deshalb vor den Vögeln. Doch diese Angst ist unbegründet: Es gibt keine bestätigten Fälle, bei denen Erkrankungen von Stadttauben auf Menschen übertragen wurden. So sind beispielsweise Salmonellen, die Tauben befallen können, taubenspezifisch und für den Menschen daher harmlos.²
Grausame Populationskontrolle
Neben baulichen Massnahmen zur Abschreckung wie Spikes auf Simsen oder Netzen, die sich oft als tödliche Fallen für die Vögel erweisen, werden Tauben auch aktiv gejagt. Den Ratten und Mäusen ergeht es nicht besser: In der Schweiz bieten viele private Schädlingsbekämpfungsfirmen «professionelle Mäusebekämpfungen» an. Dabei werden die Nager hauptsächlich mit Gift oder Schlagfallen getötet. Dabei wäre es in Bezug auf die Nagetiere einfach, für eine gesunde Population zu sorgen: Der Schweizer Tierschutz empfiehlt vorbeugende Massnahmen wie etwa die sichere Aufbewahrung von Lebensmitteln und das Verschliessen von Müllcontainern. Zudem führen die Bekämpfungsmassnahmen ohnehin nur dazu, dass die weiblichen Tiere noch fruchtbarer werden und mehr Nachwuchs gebären. Das Tierschutzgesetz (TSchG) und die Tierschutzverordnung (TSchV) verbieten es, Wirbeltieren wie Mäusen und Ratten ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Würde dies konsequent befolgt, wäre die grausame Tötung der Säugetiere ohnehin nicht erlaubt.
Gesellschaftliche Verantwortung
Immerhin für Stadttauben tritt langsam aber sicher eine Verbesserung ein. Dies zeigt die deutsche Stadt Augsburg, die mit dem «Augsburger Modell» eine Vorreiterrolle einnimmt: Sie stellt den Tieren betreute Taubenschläge zur Verfügung, wo sie Futter finden und ihr Gesundheitszustand überprüft wird. Durch die Bindung an den Taubenschlag sind die Vögel seltener in der Stadt unterwegs und hinterlassen dort dementsprechend weniger Kot. Zur Regulierung des Bestands werden frisch gelegte Eier zudem durch Ei-Attrappen ersetzt. «In betreuten Schlägen lässt man die Tauben so alle 1 bis 1,5 Jahre ausbrüten», erklärt Sabine Ruch vom Verein Stadttauben Schweiz. In der Schweiz verfügt die Stadt Bern über ein vorbildliches Taubenmanagement. Winterthur hat zumindest zwei Schläge und auch weitere Städte, darunter Olten, Aarau sowie Solothurn haben laut Sabine Ruch einige betreute Taubenschläge. Dies sei ein guter Anfang, reiche jedoch bei weitem nicht aus, ergänzt die Taubenexpertin. Der Umgang mit Stadttauben, Ratten und Mäusen spiegelt die gesellschaftliche Haltung gegenüber Tieren wider. Doch tierfreundliche Modelle wie das Augsburger Modell zeigen, dass ein respektvolles Miteinander möglich ist – es liegt an uns, diesen Weg weiterzugehen und humane Lösungen zu fördern.
Jetzt helfen!
Der Verein Stadttauben Schweiz setzt sich für das Wohlergehen und die Würde von Stadttauben ein und arbeitet Modelle zur tierfreundlichen Populations- kontrolle aus. Auf der Website des Vereins Stadttauben Schweiz finden sich viele nützliche Tipps und Infos.
Für die pelzigen Tierchen existieren momentan leider keine Hilfsprojekte. Jedoch setzt sich der Club der Rattenfreunde CH generell für Wild-, Labor- und Heimtierratten ein. Der Verein vermittelt heimatlose Ratten und setzt sich für
die Sensibilisierung der Bevölkerung ein.
1 Joel Sartore, National Geographic Photo Ark & National Geographic. (2018, 17. Januar). Eine provokante Studie hält menschliche Parasiten für die primären Überträger des
Pestbakteriums. www.nationalgeographic.de/wissenschaft/ratten-womoeglich-doch-nicht-fue…
2 Kneidl-Fenske, M. & Dämmrich, M. (2017). Gefährdungseinstufung von Stadttauben: Übertragen Tauben Krankheiten und Parasiten? Überprüfung aktueller Aussagen
aus dem Internet auf ihren Wahrheitsgehalt (Von Hamburger Stadttauben e. V. & Landesbeauftragte für den Tierschutz in Niedersachsen). www.erna-graff-stiftung.de/wp-content/uploads/2017/08/Gef%C3%A4hrdungse…

