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13.10.2023 | Christine

Proviande hat eine Studie veröffentlicht, in der es um das Image der Organisation sowie das Wissen der Schweizer Konsument:innen in Bezug auf die Fleischproduktion geht. Die Studie zeigt: Der Grossteil der Fleischkonsument:innen besitzt nach wie vor eine idealisierte Vorstellung der (Schweizer) Fleischproduktion – sowohl was das Tierwohl, als auch was die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit betrifft.

Branchenorganisationen wie Proviande vermitteln ein idealistisches Bild der Produktion tierischer Lebensmittel in der Schweiz. Das unterstreicht Proviandes im März veröffentlichte Imagestudie, die die Schweizer Landwirtschaft als umweltfreundlich und tiergerecht präsentiert.1 Was ist da wirklich dran? Nachdem wir im vorhergehenden Beitrag aufgezeigt haben, warum Proviandes Aussagen zum Thema Tierwohl nicht der Realität entsprechen, geht es in diesem zweiten Teil um das Thema Umwelt. Wir konzentrieren uns dabei auf die öffentlich einsehbaren Aussagen der Studie – weitere Informationen wollte Proviande uns auf Nachfrage hin leider nicht zur Verfügung stellen.

Nachhaltige Fleischproduktion?

Das Vertrauen der Befragten, bzw. der Schweizer Fleischkonsument:innen (Vegetarier:innen, Personen, die beruflich mit Fleisch, Ernährung oder Marktforschung zu tun haben sowie Journalist:innen wurden aus der Umfrage ausgeschlossen) in Schweizer Fleisch ist gemäss Proviande überwiegend gross. Gemäss Proviande ist den Teilnehmenden neben einer artgerechten Tierhaltung besonders der Umweltschutz wichtig. Darin scheint Heinrich Bucher, Direktor von Proviande, kein Problem zu sehen: Die Schweiz biete «beste Voraussetzungen für eine nachhaltige Fleischproduktion». Mit dieser Aussage suggeriert Proviande, obwohl dies nicht explizit ausgesprochen wird, dass die Schweizer Fleischproduktion tatsächlich nachhaltig ist. Stimmt das?

Generell muss Buchers Aussage relativiert werden. Fleisch ist das ressourcenintensivste Nahrungsmittel überhaupt, seine Produktion kann heutzutage deshalb per se kaum so umweltschonend sein, wie die von pflanzlichen Lebensmitteln. Das liegt in erster Linie an der grossen Menge an Futtermitteln, die produziert werden muss, um ein Tier zu ernähren, doch auch an der direkten Umweltverschmutzung, die aus der Tierproduktion resultiert.

Feinstaub, Treibhausgase & Co.

Dass tierische Lebensmittel ein direkter Treiber der Klimakrise sind, ist mittlerweile unbestritten. Das liegt wie oben erwähnt zu einem grossen Teil an der Verlängerung der Nahrungskette über das Tier. Denn würden anstelle von Tierfutter pflanzliche Lebensmittel für den direkten menschlichen Konsum produziert, so könnten diese weit mehr Menschen ernähren, als das resultierende tierische Produkt. Es gehen also indirekt Nahrungsmittel verloren. Als Resultat verursacht die Herstellung tierischer Lebensmittel einen weit grösseren Teil der Treibhausgasemissionen der Lebensmittelindustrie, als sie Kalorien zur Verfügung stellt.2 Insgesamt ist die «Nutztierhaltung» für bis zu 28 Prozent der weltweiten Treibhasgasemissionen verantwortlich.3 Besonders problematisch ist die Haltung von Wiederkäuern wie Rindern und Schafen, da das in ihren Verdauungsapparaten entstehende Methan die Klimaerwärmung besonders stark vorantreibt. Da der wärmende Effekt von Methan so schnell einsetzt, wird davon ausgegangen, dass das Gas rund ein Viertel der weltweiten Klimaerwärmung verursacht. In der Schweiz ist die Viehzucht für etwa 60 Prozent aller Methanemissionen verantwortlich.4

Grafik zu Emissionen nach Tierarten

Und damit nicht genug: Überdüngung mit Gülle aus der tierischen Landwirtschaft belastet Luft, Boden und Wasser enorm, indem sie zu Nährstoffüberschüssen in Form von Stickstoff- und Phosphoreinlagerungen führt. Gemäss dem Bund sind heutzutage rund zwei Drittel der Stickstoffeinträge in empfindliche Ökosysteme auf Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft zurückzuführen, nur etwa ein Drittel stammt aus Verbrennungsprozessen (durch Motoren und Feuerungen) – und für fast 90 Prozent dieser Emissionen ist die «Nutztierhaltung» verantwortlich.5, 6 Ganze 42’000 Tonnen Ammoniak – 70 Prozent mehr als die landwirtschaftlichen Umweltziele vorsehen – entstehen dort jedes Jahr.7 Das hat gravierende Folgen für Umwelt und Menschen, zum Beispiel durch Feinstaubbelastung der Luft und Bedrohung der Artenvielfalt zu Wasser und Land.

Grafik zu Ammoniakemissionen

Schweizer Fleisch auf Kosten von pflanzlichen Lebensmitteln

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Proviande der hohe Anteil an Futtermitteln aus einheimischer Produktion. Dieser werde von Konsument:innen unterschätzt und liege bei 85 Prozent. Diese Zahl bezieht sich jedoch auf das Gewicht. Jährlich werden tatsächlich rund 1,4 Mio. Tonnen Futtermittel in die Schweiz importiert, 60 Prozent davon sind energie- und proteinreiches Kraftfutter. Das grösstenteils aus der Schweiz stammende Raufutter (Gras, Grassilage, Heu, Stroh etc.) ist jedoch relativ energiearm. Würde der Energie- bzw. Kaloriengehalt berücksichtigt werden, wäre der Anteil einheimischer Futtermittel sehr viel geringer.8,9 Zusätzlich macht Proviande ungewollt auf ein grosses Problem der Tierhaltung aufmerksam. Denn tatsächlich werden auf dem Grossteil der Schweizer Ackerflächen Futtermittel angebaut – gemäss Bund sind es rund 60 Prozent. Doch dies geschieht auf Kosten anderer Lebensmittel. Weil so viel Schweizer Ackerland für Tierhaltung und Futteranbau verwendet wird, muss dafür ein grosser Teil der von Menschen konsumierten Hülsenfrüchte aus dem Ausland importiert werden. Dies obwohl deren Anbau in der Schweiz durchaus möglich ist: Im Jura beispielsweise wird schon seit Jahren erfolgreich Soja für den inländischen Markt angebaut. Aufgrund des oben beschriebenen Kalorienverlusts bei der Herstellung tierischer Produkte sinkt der Selbstversorgungsgrad der Schweiz durch den starken Fokus auf die Tierhaltung also. Zurzeit beträgt der Selbstversorgungsgrad der Schweiz 49 Prozent - wir sind also für fast die Hälfte unserer Nahrung vom Ausland abhängig.10 Würden auf mehr Ackerflächen Lebensmittel für den direkten menschlichen Konsum anstelle von Tierfutter angebaut, könnten weit mehr Menschen ernährt und der Selbstversorgungsgrad deutlich gesteigert werden. Der vermehrte Anbau von Hülsenfrüchten käme zudem auch der Gesundheit der Böden zugute.

Fleisch mit geringem Wasserverbrauch?

Weiter heisst es in der Proviande-Studie, dass der Frischwasserverbrauch der Schweizer Landwirtschaft wie in den Vorjahren massiv überschätzt werde. Die Befragten vermuteten durchschnittlich einen Verbrauch von 37 Prozent, obwohl dieser lediglich 2 Prozent des gesamten Frischwassers betrage, so Proviande. Im Gegensatz dazu betrage der Wasserverbrauch durch die Landwirtschaft weltweit 70 Prozent.11

Wie ist es also möglich, dass die Schweizer Landwirtschaft im weltweiten Vergleich so gut abschneidet? Ganz einfach: Das tut sie in Wirklichkeit nicht. Eine Publikation aus dem Jahr 2006 zum Schweizer Wasserverbrauch zeigt, dass der Frischwasserbedarf der Landwirtschaft mit 410 Mio. m³ pro Jahr annähernd so gross ist wie der Bedarf aller Privathaushalte.12 Der gesamte Wasser-Fussabdruck der Schweiz beträgt gemäss einem Bericht des Bundes aus dem Jahr 2012 11'000 Mio. m3 pro Jahr, wovon nur 18 Prozent bzw. 1'980 Mio. m3  innerhalb der Schweiz erzeugt werden. Der Wasser-Fussabdruck wird mittels des gesamten Verbrauchs von grünem (natürlich vorkommendem Boden- und Regenwasser), blauem (Frischwasser bzw. Grund- und Oberflächenwasser) und grauem Wasser (mit Schadstoffen belastetem Wasser) berechnet. Mit 81 Prozent bzw. 8'910 Mio. m3 macht die Produktion und der Konsum landwirtschaftlicher Erzeugnisse den grössten Anteil des Wasser-Fussabdrucks der Schweiz aus. Davon werden ca. 16 Prozent bzw. 1'426 Mio. m3 direkt in der Schweiz erzeugt.13, 14 Somit beträgt der Wasser-Fussabdruck der Schweizer Landwirtschaft ca. 72 Prozent des Schweizer Wasser-Fussabdrucks, welcher direkt in der Schweiz erzeugt wird. Seither hat die Bewässerung ausserdem deutlich zugenommen und auch die Tierbestände sind grösser geworden. Daher kann angenommen werden, dass in der Schweiz die Landwirtschaft heute etwa gleich viel Frischwasser verbraucht wie die gesamte Bevölkerung.

Grafik zum Schweizer Wasser-Fussabdruck

Proviande behauptet also fälschlicherweise, dass der Frischwasserverbrauch der Schweizer Landwirtschaft sehr viel geringer sei als angenommen und deutlich unter dem weltweiten Verbrauch liege. Wie die Fleischlobby-Organisation auf nur 2 Prozent kommt, legt sie jedoch nicht offen und verweist lediglich auf Schätzungen. Eine weitere Falschaussage von Proviande ist, dass für die Bewässerung von Futtermitteln ausschliesslich Regen benötigt werde. In Wahrheit ist die Bewässerung von Futterwiesen und Weiden im Alpenraum enorm wasserintensiv – gemäss dem BLW machte sie 2006 rund drei Viertel der Gesamtbewässerung aus. Hinzu kommt, dass die Tränke des Viehs viel Wasser benötigt: 110 Liter pro Tag werden für eine Grossvieheinheit verbraucht.15

Für die Berechnung des Wasserverbrauchs muss also jeder Schritt in der Nahrungsmittelkette berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass durch die landwirtschaftliche Produktion das Wasser mit Nitrat, Phosphat, Pflanzenschutz- und Tierarzneimitteln sowie bei Erosion mit Bodenpartikeln belastet wird.16 Die Fleischproduktion verbraucht also nicht nur enorme Mengen an Wasser, sondern verschmutzt es auch. All dies klammert Proviande in der veröffentlichten Studie aus.

Greenwashing als Propaganda

Es überrascht leider nicht, dass Proviande nicht nur idealisierte Bilder der Schweizer Tierhaltung zeichnet, sondern auch Greenwashing betreibt. Anstatt faktenbasiert und transparent zu arbeiten, versucht die Fleischlobby-Organisation mit fadenscheinigen Fakten Schweizer Fleisch als umweltfreundliches Nahrungsmittel darzustellen. Schweizer Fleischkonsument:innen ist eine nachhaltige Fleischproduktion wichtig – doch die gibt es nicht. Denn Fleisch ist das umweltschädlichste Nahrungsmittel überhaupt. Doch diese – für Proviande und Fleischliebhabende – unangenehme Wahrheit unterschlägt Proviande gezielt und wirbt mit Steuergeldern für «nachhaltiges Fleisch».

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