Heute ist es üblich, dass man jede persönliche Verantwortung an so genannte Fachleute abgibt: Für die Ernährung sind die Ernährungsberater zuständig, für die Ethik die Ethiker und Philosophen, für die Gesundheit die Ärzte.
Dass der psychische Zustand, welchen man nicht delegieren kann, einen sehr starken Einfluss auf die körperliche Gesundheit hat, wird andererseits aber auch immer mehr akzeptiert.
Die Ernährungsweise, welche auf den ersten Blick ein rein materieller Vorgang ist und nur wenig Einfluss auf die Psyche zu haben scheint, darf man aus gesundheitlichen und ethischen Gründen jedoch nicht ausser Acht lassen, wenn man bereit ist, die volle Verantwortung seiner Handlungen selbst zu übernehmen.
Durch unsere kulturelle Prägung und die starke Verarbeitung unserer Nahrungsmittel fällt es immer schwerer zu merken, dass auch die Wahl unserer Ernährungsweise eine ethische und spirituelle Entscheidung ist. Dies wird besonders klar, wenn man es sich an einem Beispiel ansieht, bei dem weder die kulturelle Prägung noch die Verarbeitung eines Nahrungsmittels eine grosse Rolle spielt:
Apfel oder Apfelmus?
Geben Sie einem Kleinkind einen ganzen Apfel und einen lebendigen Hasen und überlegen Sie sich, was passiert. Für das Kind ist es überhaupt keine Frage, dass es den Apfel isst und mit dem Hasen spielt.
Wenn man dasselbe Experiment mit einer kulturell bereits geprägten, also erwachsenen Person vornimmt und statt der unverarbeiteten Produkte nun Apfelmus und Hasenbraten verwendet, wird das Ergebnis vermutlich anders ausfallen. In der Regel sieht die Person keinen Grund mehr, zwischen den beiden Nahrungsmitteln zu unterscheiden, und wird beides essen. Die Nahrungsmittelindustrie macht sich dieses Phänomen natürlich zu Nutze und verkauft fast nur noch einzelne Tierteile, welche bereits ausgeblutet sind und hygienisch verpackt im Kühlregal präsentiert werden. Zudem werden mit geschickter Propaganda die Konsumenten so beeinflusst, dass sie glauben, Fleisch sei ein Stück Lebenskraft und gehöre unbedingt zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung. Damit werden eventuell aufkommende ethische Gedanken beim Fleischkauf schon im Keime erstickt. Denn wenn man darauf angewiesen wäre, Fleisch zu konsumieren, um überleben zu können, würde sich die ethische Frage gar nicht stellen. Weshalb ein im Verwesungsprozess befindliches Stück eines getöteten Tieres kein Stück Lebenskraft mehr ist, muss hier nicht näher erläutert werden, da dies nicht Thema dieses Artikels ist.
Folgen des Fleischkonsums auf die Moral
Wenn man also die tierischen Fette, das Cholesterin, die Hormone und die anderen bedenklichen Bestandteile des Fleisches einmal unberücksichtigt lässt, welche Auswirkungen kann der Fleischkonsum dann noch haben?
Wie oben aufgezeigt, hat praktisch jeder Mensch schon als Kind eine angeborene Tötungshemmung und sieht die anderen Säugetiere als Mitgeschöpfe und nicht als Nahrungsquelle an. Sehr direkt hat dies einmal der irische Dramatiker und Nobelpreisträger Georg Bernhard Shaw ausgedrückt:
«Tiere sind meine Freunde, und meine Freunde esse ich nicht!»
Erst durch die Erziehung in unserer Kultur und die Propaganda der Fleischindustrie werden unsere Mitgeschöpfe zu Nahrungsquellen degradiert. Das angeborene Mitgefühl zu den Tieren kann aber nicht einfach ausgelöscht werden, es wird nur unterdrückt. Da diese Unterdrückung schon mit der Kindheit beginnt, ist sie im Erwachsenenalter meist nicht mehr bewusst.
Ein Beispiel, welches aufzeigt, dass das menschliche Mitgefühl auch zu den so genannten Schlachttieren nicht ausgelöscht ist, sondern nur unterdrückt wurde, ist folgende leicht nachvollziehbare Situation:
Besuchen Sie einen Schlachthof oder sehen Sie sich eine Videoaufzeichnung davon an. Es wird kaum einen Menschen geben, der sich inmitten der Todesschreie der Tiere und des herumspritzenden Blutes der gerade verblutenden Tiere wohl fühlt. Viel eher würde man bereit sein, einem Bauern bei der Obsternte zu helfen, als sich in einem Schlachthof mit der Fleischproduktion beschäftigen zu müssen.
Unterdrücktes Mitgefühl
Als kürzlich eine Tierschutzorganisation mit einer Videodokumentation aus einem österreichischen Schlachthof aufdeckte (siehe Vegi-Info 2/2001), dass viele der Rinder sogar bei vollem Bewusstsein aufgeschnitten und ihre Ohren und Füsse abgeschnitten werden, lehnte der ORF die Ausstrahlung dieses Dokumentes mit der Begründung ab, dass man dies den Fernseh-Zuschauern nicht zumuten könne.
Der reale Horror, der tagtäglich in unseren Schlachthöfen stattfindet, wird denjenigen, die ihn verursachen, nicht zugemutet, da das Schreien der Rinder am Fliessband während des Geschlachtetwerdens viele Menschen dazu bewegen könnte, dies nicht mehr mit ihrer Ernährungsweise über den Fleischkauf zu finanzieren.
Das Verdrängen der Herkunft des Fleisches auf dem Teller geht im Alltag jedoch noch viel weiter und ist schon so selbstverständlich, dass es kaum noch jemandem auffällt.
Ein totes Tier ist z.B. ein Kadaver, wenn man es aber auseinander schneidet und etwas abhängt, sodass die Leichenstarre vorüber ist und der Verwesungsprozess begonnen hat, kann man es plötzlich unter der Bezeichnung Fleisch im Kühlregal wieder finden.
Vom Tier zum Anonymus
Hinzu kommt, dass man für die meisten Teile des Tieres neue Namen erfunden hat: Ein Stück eines Muskels wird z.B. Schnitzel genannt. Einen in Streifen zerschnittenen Magen erhält man unter der Bezeichnung Kutteln und so weiter. Die Strategie ist klar: Man möchte mit diesen Produkten nicht versehentlich das verdrängte, schlechte Gewissen gegenüber dem Tier erwecken und versucht möglichst jede Beziehung zum ursprünglich im Schlachthof getöteten Tier zu unterbinden.
Sie fragen sich nun vielleicht, was dies alles mit dem Titel dieses Vortrages «Ernährungsethik als Gesundheitsfaktor» zu tun hat. Um den Zusammenhang zu sehen, müssen Sie sich nur noch das bereits Gesagte anhand eines konkreten Beispiels ansehen:
Nehmen wir an, Sie gehen in ein Restaurant und bestellen ein Schnitzel oder einen Braten. Oberflächlich gesehen ist dies eine Handlung, die sich nicht von der Bestellung eines Gemüsestrudels unterscheidet. Wenn man sich dies aber etwas genauer ansieht, stellt man fest, dass es viel mehr braucht um sich ein Stück eines Tieres zu bestellen. Da die Menschen schliesslich ihr Essen im Restaurant geniessen wollen, müssen sie die Verdrängung aller negativen Assoziationen in dieser Situation noch stärker aktivieren als sonst. Es wäre jedoch ein grosser Fehler zu denken, dass man etwas nur konsequent zu verdrängen braucht, um es unwirksam zu machen. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Etwas, das man ständig zu verdrängen versucht, hat sogar noch stärkeren Einfluss auf unsere Gesundheit als etwas, das wir bewusst verarbeitet haben. Nur schon deshalb, weil zum bewussten Verarbeiten auch gehört, dass man die nötigen Konsequenzen daraus ziehen muss.
Sogar in der Schulmedizin wird immer mehr erkannt, dass negative Gedanken das Immunsystem schwächen und dadurch den Körper empfänglicher machen für Krankheiten.
Und was ist jetzt mit der Gesundheit?
Wenn man dies alles berücksichtigt und bedenkt, dass die meisten Menschen tagtäglich ein Stück eines Tieres essen, muss man zu dem Schluss kommen, dass es auch aus gesundheitlichen Gründen notwendig ist, die Ethik nicht aus der eigenen Ernährungsweise auszuschliessen. Nur wenn man bei der Nahrungsauswahl auch die eigenen ethischen Ansprüche mit berücksichtigt, kann man ohne seelische Belastung ein Essen geniessen.
Was ist richtig und was ist falsch?
Heute wird man tagtäglich überhäuft mit Informationen. Dadurch nehmen wir vieles, für das wir uns nicht direkt interessieren und das wir nicht wissen wollen, nur flüchtig wahr und versenken es in unserem Unterbewussten. Dies betrifft natürlich insbesondere auch die ethisch sehr problematische Vorgeschichte tierischer Nahrungsmittel, welche üblicherweise konsumiert werden.
Ein möglicher Einwand gegen die These, dass die Ernährungsethik einen Einfluss auf die Gesundheit hat, könnte folgendermasen lauten: Könnte man sich nicht einfach an die offiziellen Ernährungsempfehlungen halten, um sich gesund zu ernähren? Widerspricht das Ganze nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Schulmedizin?
Um diese Fragen beantworten zu können, muss man etwas ausholen:
Die Schulmedizin ist stetigem Wandel unterworfen, da es ihr bisher unmöglich war, den menschlichen Körper vollständig zu verstehen. Deshalb wird nach wie vor nur mit Wahrscheinlichkeiten gearbeitet. Es ist also z.B. unmöglich, einer bestimmten Person vorauszusagen, welche Krankheit sie bekommt, man kann aber sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Person eine bestimmte Krankheit bekommen könnte. Da die Schulmedizin allerdings auf nachvollziehbaren Tests und Analysen beruht, gilt sie offiziell dennoch als Wissenschaft.
Dass man durch Analyse, also Zerteilung des Untersuchungsobjektes, nie das komplexe Zusammenspiel eines Lebewesens voll erfassen können wird, ist eigentlich bekannt. Denn auch in der Medizin gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Es ist deshalb auch der Medizin noch nie gelungen, ein Lebewesen völlig auseinander zu nehmen und wieder zusammenzusetzen und es dadurch wieder zum Leben zu erwecken. Die Methode hat dennoch einige Erfolge zu verzeichnen: z.B. in der Chirurgie, wo es ja nur um rein mechanische Dinge geht. Was einen gesunden Körper jedoch genau ausmacht und weshalb jemand krank wird, konnte so nie vollständig erfasst werden.
Und wie sieht es mit den erwähnten Tests aus? Alle auf dem Markt befindlichen Medikamente müssen doch strenge Tests über sich ergehen lassen?
Bei den medizinischen Tests befindet sich die Schulmedizin in einem Dilemma, welches folgendes Beispiel deutlich macht:
Stellen Sie sich vor, man testet ein neues Medikament (oder eine neue Therapiemethode) für eine tödliche Krankheit an 100 Personen und vergleicht dies mit 100 anderen Personen, welche kein oder ein anderes Medikament erhalten.
Eine solche, durchaus übliche Untersuchung kann nur ein Resultat liefern, das mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit korrekt ist. Schliesslich könnte es auch reiner Zufall sein, dass in der einen Gruppe mehr Patienten überleben als in der anderen, da jeder Mensch einzigartig ist, ist es auch unmöglich, zwei exakt identische Gruppen zu bekommen.
Was passiert jedoch, wenn sich herausstellen sollte, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit das neue Medikament besser ist als das alte?
Keine Ethikkommission würde dann noch einen weiteren Versuch zur Überprüfung dieses Resultates zulassen, da man dadurch 100 weiteren Personen ein möglicherweise lebensrettendes Medikament vorenthalten würde.
Dadurch wird man nie erfahren, ob die neue Therapie tatsächlich besser ist als die alte oder ob diese Annahme nur auf einem Zufallsresultat beruht.1
Hinzu kommt, dass es für Wissenschaftler uninteressant ist, eine bereits gemachte Untersuchung zu wiederholen, da nur Studien mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen für die medizinischen Fachzeitschriften interessant sind.
Ich gehe in meiner Kritik an der Schulmedizin nicht so weit wie Mark Twain, der einmal überspitzt formuliert hat:
«Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mässig genossen, ist unschädlich.»
Dennoch zeigt dieses Zitat deutlich auf, wie wenig gesicherte Erkenntnisse gerade in diesem Bereich vorhanden sind. Sobald man sich mit der Ernährung detailliert befasst, merkt man, dass man zu fast jeder These der Medizin auch Ärzte findet, die vom Gegenteil überzeugt sind. Nicht zuletzt liegt dies natürlich auch daran, dass Ärzte keine spezielle Ausbildung in der Humanernährung haben und deshalb meist auf diesem Gebiet Laien sind (im Gegensatz zu Ernährungswissenschaftlern und Gesundheitsberatern). Hinzu kommt, dass kein Mensch, also auch kein Arzt das Thema Ernährung als Unbeteiligter von aussen betrachten kann: Da jeder Mensch entweder ein Fleischesser oder Vegetarier ist, erschwert dies ein exakt wissenschaftliches und neutrales Arbeiten auf diesem Gebiet.
Manche Ärzte haben sich allerdings nach ihrem Medizinstudium auf privater Initiative weitergebildet. Einer davon ist der Arzt Prof. Dr. Michael Lukas Moeller. Er meinte zum Thema Medizinstudium:
«Wie fast alle meine ärztlichen Kollegen war ich Laie in Sachen Ernährung. Beinahe schäme ich mich für eine Medizin, die ich erlernt habe, ohne einen Hauch von jenem Ernährungswissen zu erfahren, auf dem die einfachste und effektivste Vorbeugung der meisten heutigen Krankheiten beruhen könnte.»
Die Situation in der Medizin wurde vom englischen Autor Aldous Huxley sehr treffend analysiert:
«Die medizinische Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten so ungeheure Fortschritte gemacht, dass es praktisch keinen gesunden Menschen mehr gibt.»
Immer mehr verantwortungsbewusste Menschen bemerken, dass es für die körperliche Gesundheit sehr entscheidend ist, ob man auf alle tierischen Nahrungsmittel verzichtet oder diese regelmässig konsumiert. Es gibt viele Gründe, welche diese Empfehlung stützen, in diesem Artikel wurde versucht, die ethischen Aspekte dazu etwas zu erläutern.
Doch nicht nur auf die körperliche Gesundheit kann die Nahrungswahl Auswirkungen haben: Wenn jemand schon bei der Ernährung tagtäglich sich im Verdrängen von unliebsamen Tatsachen übt, wird er auch grössere Mühe haben, um einen anderen alltäglichen Konflikt so aufzuarbeiten, dass er ihn überwinden kann, ohne daran Schaden zu nehmen.
Zum Abschluss muss noch erwähnt werden, dass es natürlich eine Bankrott-Erklärung für jegliche Ethik ist, wenn man sich überhaupt zu fragen beginnt, ob es gesund sei, ethisch zu handeln. Wenn man nur dann bereit ist, ethisch zu handeln, wenn man damit auch rein egoistische Vorteile erzielt, dient die Ethik höchstens noch zur Gewissensberuhigung und kann nicht mehr ernst genommen werden. Wenn dieser Artikel aber jemandem einen zusätzlichen Ansporn gab, ethische Überlegungen auch in seine Nahrungsauswahl einfliessen zu lassen, hat er seinen Zweck erfüllt.