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Entgegnung zur Milchwerbung

Die Nachteile des heutigen hohen Kuhmilchkonsums gelangen immer mehr an die Öffentlichkeit.  Umso weniger erstaunt es, dass es auch immer häufiger Artikel gibt, die versuchen die Kuhmilch als gesundes Lebensmittel darzustellen.

Spiegel Online hat am 14.8.2014 einen Artikel unter diesem Titel veröffentlicht:
"Anti-Milch-Kampagnen: Milch ist besser als ihr Ruf"
Darin werden in einem Interview viele Kritikpunkte am Kuhmilchkonsum als unwissenschaftlich dargestellt. Stimmen die Behauptungen vom Interviewpartner Gerhard Rechkemmer? Jedenfalls nimmt er seine Lobbyarbeit für die Nahrungsmittelindustrie sehr ernst und ist auch mitverantwortlich für diese Milchwerbebroschüre.

Seine Behauptungen im Interview:

Rechkemmer: [Kritiken an der Milch] sind zum Großteil aus alternativ-medizinischen Kreisen gestreute Falschinformationen, für die es keine wissenschaftliche Grundlage gibt.

Rechkemmer beginnt gleich mit einem Rundumschlag gegen alle Wissenschaftler, welche die Milch nicht vorbehaltlos loben. Wie bei den meisten seiner Antworten ohne dies wissenschaftlich belegen zu können.

Zum Argument, dass erwachsene Menschen keine Babynahrung der Kuh zu sich nehmen müssen, meint er:

Dass wir als Menschen Organismen zu uns nehmen, die fremd sind, ist ja nichts Besonderes - ansonsten müssten wir uns ja als Kannibalen ernähren. Wir nutzen nicht nur Milch von Kühen, die für uns nicht vorgesehen ist, sondern wir essen auch Früchte von Pflanzen, die diese für ihre Fortpflanzung gebildet haben.

Früchte sind dazu geschaffen, dass sie von Tieren (Menschen) gegessen werden um die Samen zu verbreiten. Farbe, Geschmack etc. sind geradezu darauf ausgerichtet, dass die Früchte gerne gegessen werden.
Dies ist nicht vergleichbar mit dem Konsum von Kuhmilch. Das menschliche Immunsystem kann sehr gut zwischen pflanzlichen Stoffen und den körpereigenen unterscheiden. Bei tierischer Milch sieht dies aber anders aus: Sie hat in gewisser Beziehung grosse Ähnlichkeiten mit der menschlichen Muttermilch, ist aber dennoch nicht identisch. Manche Stoffe (z.B. Fett) in der Kuhmilch sind in einer Form enthalten, wie sie unser Körper direkt aufnehmen kann. Allerdings in ungesunden Mengen. Unser Körper kann dabei nur schwer regulieren wieviel er von bestimmten Stoffen aufnimmt. Bei pflanzlichen Stoffen, die zuerst umgewandelt werden müssen, kann der Körper die aufgenommene Menge viel besser regulieren und hat dafür sehr differenzierte Mechanismen. Bei Kuhmilch funktionieren diese aber nicht. 

In der Kuhmilch kommt der Wachstumsfaktor IGF (Insulin-like Growth Factor) vor, den es auch in der Muttermilch gibt, dort allerdings in geringeren Mengen. Man weiß aus epidemiologischen Untersuchungen, dass die Menschen, die in der Kindheit und Jugend Milch konsumieren, größer werden - ob das auf den IGF oder einfach auf die gute Ernährung durch Milch zurückzuführen ist, ist bislang nicht geklärt.

Zur Erinnerung: Rechkemmer leitet ein Institut, dass Milchforschung betreibt. Die Vermutung, dass dieser Wachstumsfaktor in der Kuhmilch schädliche Auswirkungen beim Menschen haben kann, ist nicht neu. Weshalb wurde dann dies noch immer nicht untersucht? Möchte man lieber weiterhin sagen können, dass man dies noch nicht geklärt hat? Hat man Angst vor dem Ergebnis einer solchen Untersuchung?

Seit Jahren ignoriert Rechkemmer nicht nur jede Kritik gegen den Kuhmilchkonsum, sondern behauptet auch immer wieder, dass Kuhmilch uneingeschränkt gesund ist. Ohne dies wissenschaftlich zu erforschen. Siehe auch: "Medizin-Professor warnt: Zu viel Milch schadet der Gesundheit". Solch ein Vorgehen erwartet man von einem Lobbyisten, aber nicht von einem seriösen Wissenschaftler.
Die Reaktion eines Wissenschaftlers müsste sein: "Interessant, dieses Problem haben wir noch zu wenig untersucht. Da werden wir gleich eine Studie machen." Da er das mögliche Problem mit dem Wachstumsfaktor jedoch schon seit vielen Jahren kennt, wäre auch dies nun kaum noch glaubwürdig.

Aus heutiger Sicht ist die Konzentration der Hormone in der Kuhmilch zu gering, um sich auf den Körper des Menschen gesundheitsschädlich auszuwirken.

Es ist erwiesen, dass der Konsum von Hormonen über tierische Nahrungsmittel (Fleisch/Milch) Einfluss auf den menschlichen Hormonhaushalt hat.

Die künstliche Erhöhung des Hormonspiegels durch bestimmte Nahrungsmittel kann kaum als gesund angesehen werden und sollte grundsätzlich vermieden werden.
Es wird z.B. schon länger vermutet, dass krankhafte Vergrösserungen der männlichen Brüste durch solche Hormone mit gefördert werden. Dies führt dann zur sogenannten Gynäkomastie.
Heute werden die Milchkühe noch während der Melkperiode besamt und die meiste Zeit während ihrer Trächtigkeit weiter gemolken. Dadurch entsteht ein Hormoncocktail von Schwangerschaftshormonen und Laktationshormonen. diese werden dann noch zusätzlich mit hunderten anderen Kühen vermischt, bevor der Konsument die Milch im Laden kaufen kann. Einfach zu behaupten, dass dies keinerlei gesundheitliche Auswirkungen hat, ist daher nicht ganz glaubwürdig.

Zum Übergewicht durch Milchkonsum antwortet Rechkemmer:

Wenn ich über meinen Milchkonsum mehr Kalorien aufnehme, als ich an Energie verbrauche, wird das als Fett gespeichert. Das gilt aber für jedes Lebensmittel. In der Realität ist es so, dass die Hälfte der Studien keinen Zusammenhang zwischen Milchverzehr und Gewicht feststellen konnten - und die restlichen sogar darauf hindeuten, dass Milch in geringem Maße vor Übergewicht schützt.

Milch gilt oft nicht als Getränkt, sondern als Nahrungsmittel, weil es viele Kalorien enthält. Vollmilch hat beispielsweise 50% mehr Kalorien als Cola. Dennoch warnt man vor Cola, nicht aber vor Milch als Kalorienbombe.
Entgegen seiner unbelegten Behauptung gibt es sehr wohl viele seriöse Studien, die den Milchkonsum in direkten Zusammenhang mit Übergewicht bringen:

Und selbst wenn man Kleinkindern nur entrahmte Kuhmilch gibt, schützt dies nicht vor Übergewicht:

 

Ein vermehrter Verzehr von Milch und Milchprodukten erhöht weder das Risiko für Herzkreislauferkrankungen noch für Schlaganfälle. Stattdessen findet man bei Menschen, die viele Milchprodukte zu sich nehmen, sogar ein verringertes Risiko für Bluthochdruck und Diabetes mellitus Typ 2.

Auch diese Aussage ist wissenschaftlich nicht haltbar. Milch enthält gesättigte Fette und keinerlei gesunde Faserstoffe.
Mit fettarmer veganer Ernährung hat man grosse Erfolge bei der Behandlung von Bluthochdruck und Diabetes erzielt. Selbst bei Herz-Kreislauferkrankungen kann man damit beachtenswerte Verbesserungen der Gesundheit erreichen.

Des weiteren behauptet Rechkemmer, dass der Milchkonsum wichtig ist um Osteoporose vorzubeugen. Milch ist für ihn ein wichtiger Kalziumlieferant zur Osteoporosevorbeugung. 
Die Fakten sehen allerdings anders aus: An der Universität Zürich wurde untersucht, ob Milch tatsächlich vor Knochenbrüchen schützt, also gegen Osteoporose hilft. Dazu wurden 9 Studien analysiert, die insgesamt über 270'000 Personen untersucht hatten. Das Resultat ergab, dass Kuhmilchkonsum nicht vor Knochenbrüchen schützt.

Auch die Tatsache, dass Länder mit hoher Osteoporoserate auch einen hohen Milchkonsum haben, lässt er nicht als Argument gegen die Osteoporosevorbeugende Wirkung der Milch gelten. Damit widerspricht er sogar dem offiziellen Text der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Osteoporosevorbeugung:
"The paradox (that hip fracture rates are higher in developed countries where calcium intake is higher than in developing countries where calcium intake is lower) clearly calls for an explanation. To date, the accumulated data indicate that the adverse effect of protein, in particular animal (but not vegetable) protein, might outweigh the positive effect of calcium intake on calcium balance"1

Die WHO vermutet also, dass das tierische Protein aus der Milch den positiven Effekt des Kalziums der Milch aufhebt. Auch dies vor dem Hintergrund, dass das tierische Protein säurebildend ist und durch das Kalzium (in den Knochen) neutralisiert werden muss. Dieser Argumentationsweise kann Rechkemmer natürlich nicht folgen, da er behauptet, dass es gar keine Säurewirkung aus der Ernährung geben kann.

Renato Pichler

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