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03.04.2023 | Vivian

Eine neue Studie hat den alleinigen Einfluss unserer Lebensmittelproduktion auf die zukünftige Klimaerwärmung berechnet.1 Die Ergebnisse zeigen deutlich: Wenn wir unsere momentanen Essgewohnheiten, allen voran unseren Fleischkonsum, beibehalten, bleiben die globalen Klimaziele unerreichbar.

Die Lebensmittelindustrie verursacht rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen.2 Dass tierische Lebensmittel und insbesondere Fleisch unserer Umwelt besonders schaden, ist mittlerweile bekannt. Nun zeigt eine Studie erstmals in konkreten Zahlen, wie sehr verschiedene Lebensmittel die Klimaerwärmung in den nächsten Jahren voraussichtlich verstärken werden. Bei gleichbleibenden Ernährungsmustern könnte unser Essen das Klima bis 2100 um beinah 1 Grad zusätzlich erwärmen – und fast die Hälfte der ernährungsbedingten Erderwärmung geht auf die Kappe von zwei Lebensmittelgruppen: Milchprodukte und Fleisch. Das gilt sowohl für die Erwärmung bis 2030, als auch für die langfristige Prognose bis zum Ende des Jahrhunderts. Mit Ausnahme von Reis tragen alle anderen Lebensmittelgruppen, wie zum Beispiel Gemüse, Getreide oder Früchte, jeweils nicht mehr als 5% zur Klimaerwärmung bei.Auch der Beitrag von Reis muss jedoch relativiert werden: Zum Einen wird ein grosser Teil des durch den Reisanbau verursachten Methanausstosses durch den Einsatz von tierischem Dünger verursacht. Zum Anderen ist Reis ein Grundnahrungsmittel, das in weit grösserer Menge konsumiert wird als Fleisch und Milchprodukte – 2021 wurde auf der ganzen Welt mehr als 10-mal so viel Reis wie Rindfleisch produziert.3

 

Grafik, die Anteile verschiedener Lebensmittel an der ernährungsbedingten Klimaerwärmung projiziert

Anteil verschiedener Lebensmittelgruppen an der ernährungsbedingten Erderwärmung, Vorhersage. Kuchendiagramm: Prognose für 2030. Quelle: Ivanovich et al.


Reduzierte Methanemissionen könnten Klimawandel stark verlangsamen

Grund für den starken negativen Klimaeffekt von Milchprodukten, Reis und insbesondere dem Fleisch von Wiederkäuern sind ihre Methanemissionen. Methan hat einen enorm starken Treibhauseffekt: Ihm wird ein rund 80-mal grösseres Erwärmungspotenzial zugeschrieben als CO2. Besonders ist dabei vor allem auch seine schnelle Wirkung, denn der wärmende Effekt von Methan tritt wesentlich rascher ein als der anderer Treibhausgase – er flacht jedoch auch schneller wieder ab. Zurzeit wird davon ausgegangen, dass mindestens ein Viertel der Erderwärmung auf Methanemissionen zurückzuführen ist.4 Die neue Studie prognostiziert nun sogar, dass über 80% der durch unsere Ernährung verursachten Erwärmung in Zukunft durch methanintensive Lebensmittel – Fleisch von Wiederkäuern, Milchprodukte, Reis – verursacht werden wird. Unseren Methanausstoss zu reduzieren betrachtet sie demgemäss als die wohl dringlichste Klimamassnahme. Eine Reduktion des weltweiten Viehbestands würde die schnellste Möglichkeit darstellen, das Fortschreiten der Klimaerwärmung schlagartig zu verlangsamen, wie Forschende der Universitäten Stanford und Berkeley schreiben.Auch der durch den Einsatz tierischen Düngers verursachte Methanausstoss der Reisproduktion ist auf die industrielle Tierhaltung zurückzuführen und könnte durch den Einsatz von mineralischem Dünger stark reduziert werden, wie Erfahrungen aus China zeigen.6

Neuester Klimabericht sollte pflanzliche Ernährung empfehlen

Diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend sollte gemäss Zeitungsberichten auch der neueste Report des Weltklimarats (IPCC) eine pflanzlichere Ernährung für westliche Länder empfehlen. Sie könne die Treibhausgasemissionen gegenüber der durchschnittlichen emissionsintensiven westlichen Ernährungsweise «um bis zu 50% reduzieren», sollte es im Bericht ursprünglich heissen.7Diese Empfehlung hat es jedoch leider nicht in die finale Zusammenfassung des Reports für politische Entscheidungsträger geschafft. Denn vor der Veröffentlichung des Dokuments können internationale Abgeordnete Änderungsvorschläge anbringen, und die politischen Vertretungen Argentiniens und Brasiliens – Länder mit enorm starker Fleischproduktion – sollen auf das Streichen der pflanzlichen Ernährung bestanden haben. Der veröffentlichte Bericht empfiehlt nun lediglich eine äusserst vage «ausgewogene Ernährung» – und widerspiegelt den enormen Einfluss unserer Lebensmittelproduktion auf die Klimaerwärmung zum wiederholten Male nicht. Dies, obwohl der Report eindringlich warnt, dass unsere Klimaziele in weiter Ferne bleiben werden, sollten die Staaten ihre Emissionen nicht in unmittelbarer Zukunft drastisch reduzieren.8

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse könnten nicht eindeutiger sein. Bereits eine Reduktion unseres Fleisch- und Milchkonsums könnte uns wichtige Zeit sowie die Möglichkeit verschaffen, uns an die durch den Klimawandel verursachten Veränderungen anzupassen. Wie Forscherin Meredith Niles betont, machen die neuesten Studienergebnisse deutlich, «dass unser Essen absolut notwendig ist, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen –  unsere Ernährung nicht mit einzukalkulieren, bedeutet, dass wir unsere weltweiten Klimaziele nicht erreichen werden».9 Das verdeutlichen auch die Schweizer Klimaziele: Bis 2050 sollen die jährlichen CO2-Emissionen von rund 4 Tonnen pro Kopf halbiert werden.10 Allein eine omnivore Ernährung verursacht jedoch bereits 1,5 Tonnen CO2 pro Person.11 Wenn wir unsere Ernährung nicht drastisch umstellen, bleibt die Umsetzung dieser Klimaziele also schlicht unmöglich. Die Politik muss endlich diesen Erkenntnissen entsprechend handeln und unsere Zukunft über wirtschaftliche Interessen stellen. Bis dahin können wir uns immerhin selbst mit jeder Mahlzeit und mit jedem Einkauf für unser Klima einsetzen. Denn auch wenn sie allein nicht fürs Erreichen der Klimaziele genügen mag, so ist eine vegane Ernährung doch das Beste, was wir als Einzelpersonen für unser Klima tun können.12

 

1 Ivanovich, C.C., Sun, T., Gordon, D.R. et al., 2023. Future warming from global food consumption. Nat. Clim. Chang. 13, 297–302.

2 Poore, J. & Nemecek, T., 2018. Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science 360, 987–992.

3 Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), FAOSTAT: Crops and Livestock Products.

4 Ilissa B. Ocko et al., 2021. Acting rapidly to deploy readily available methane mitigation measures by sector can immediately slow global warming. Environ. Res. Lett. 16.

5 Eisen, M.B. & Brown, P.O., 2022. Rapid global phaseout of animal agriculture has the potential to stabilize greenhouse gas levels for 30 years and offset 68 percent of CO2 emissions this century. Plos Climate.

6 Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), 2006. Livestock's Long Shadow. 

7 Thomas, M. How Meat and Fossil Fuel Producers Watered Down the Latest IPCC Report. Distilled, 23 March 2023. 

8 IPCC, 2023. Synthesis Report of the IPCC Sixth Assessment Report (AR 6).

9 Costley, D. Current Food Consumption Habits May Add Nearly 1 Degree of Warming by 2100. Time, 6 March 2023.

10 Bundesamt für Umwelt BAFU. Klima: Das Wichtigste in Kürze. 

11 Schlatzer M. & Lindenthal, T. (2020): Einfluss von unterschiedlichen Ernährungsweisen auf Klimawandel und Flächeninanspruchnahme in Österreich und Übersee (DIETCCLU). Endbericht von StartClim2019.B in StartClim2019: Weitere Beiträge zur Umsetzung der österreichischen Anpassungsstrategie, Auftraggeber: BMLFUW, BMWF, ÖBf, Land Oberösterreich.

12 Bailey, T. et al. 2022. The Power of People: Climate Action and the Role of Citizens and Communities. The JUMP, Arup, C40.

 

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