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«Wie überlebe ich Weihnachten als Veganer?»

Regelmässig beantwortet Dr. Laurence Froidevaux, Expertin für pflanzenbasierte Ernährung, im Veg-Info Fragen von Leser zum Thema Gesundheit.

Ich bin seit fast einem Jahr Veganer, und die kommenden Festtage bereiten mir Kopfzerbrechen: einerseits wegen meiner Gesundheit (ich habe über Weihnachten meist 2 kg zugenommen!), andererseits wegen meiner Familie. Bei mir sind nicht alle offen gegenüber dem veganen Lebensstil. Bei Diskussionen über meine Ernährung ist es nicht immer einfach, ruhig zu bleiben. Können Sie mir helfen?

Leserfrage von Luc, Genf

Die Situation, die Sie beschreiben, kennen die meisten von uns. Viele vegan lebende Menschen sind hin und wieder gesellschaftlich herausgefordert. Auf jeden Fall scheint es wichtig, gut darauf vorbereitet zu sein.

Von praktischer Seite ist es zuallererst sinnvoll, wenn Sie sich an der Vorbereitung und Zubereitung des Festmahls beteiligen, auch falls nicht bei Ihnen gegessen wird. Eine einfache Art, Menschen zu erklären, was vegane Ernährung ist, ist, ihr Appetit als Anlass zu nehmen. Wenn Sie Ihrer Familie etwas Köstliches zu essen anbieten und die Gäste dann nach dem Essen weder Völlegefühl noch Müdigkeit verspüren, haben Sie schon die erste Partie gewonnen. Dabei gilt es nach meiner Erfahrung, zwei essentielle Dinge zu beachten:

  • Servieren Sie «bekannte» Ge­richte.
  • Vermeiden Sie Ersatzprodukte für Fleisch und Käse und vermeiden Sie sogar Tofu (ausser wenn dieser in versteckter Form in einem Gericht vorkommt, z.B. in einer Sauce). Der Grund ist, dass viele Ersatzprodukte ge­schmack­lich eigen sind und da­her den Fleischessern nicht unbedingt schmecken.

Sie kennen Ihre Familie am besten und können so jene Gerichte auswählen, mit denen sie vertraut ist. Es ist z. B. ganz einfach, Kartoffelstock und Champignonsauce auf vegane Art zuzubereiten wie auch einen Risotto oder eine Kürbissuppe. Gemüsedips sind gesund und an jedem Apéro willkommen, als Beispiel: Hummus, Gemüsepasteten, Guacamole, serviert mit rohem Gemüse. Zum Dessert eignen sich in veganer Variante besonders Cupcakes, Früchtewähen, Kuchen, Schoggimousse: All diese Kreationen sind leicht und köstlich vegan zuzubereiten. Dazu finden Sie in jedem Veg-Info die passenden Rezepte-Ideen. Alles Selbstgemachte benötigt natürlich etwas Zeit, aber die Mühe lohnt sich auf jeden Fall.

Um eine Gewichtszunahme über die Festtage zu vermeiden, gibt es 4 goldene Regeln:

  • Nie sehr hungrig an ein Festmahl gehen. Wenn der Bauch bei der Ankunft schon knurrt, hat man die Tendenz, sich buchstäblich mit Apérohäppli vollzustopfen, die oft sehr fettig und salzig sind (Erdnüsse, Chips, Crackers usw.). Indem man hingegen zuhause vorher noch etwas Gesundes isst, beispielsweise eine Frucht, einen hausgemachten Getreidestängel oder einen Smoothie, ist man sicher, beim Apéro und am Tisch intelligente Wahlen zu treffen.
  • Alkoholkonsum einschränken und viel Wasser trinken. Durch den Entspannungseffekt des Alkohols neigen wir dazu, empfänglicher und nachgiebiger zu werden in Bezug auf spontane Gelüste, was dazu führt, dass man tendenziell grössere Mengen isst, wenn man Alkohol trinkt. Dieser ist übrigens auch reich an leeren Kalorien und fördert die Gewichtszunahme. Immer daran denken, öfter ein Glas Wasser als Alkohol zu trinken. Wasser hilft nicht nur dabei, Giftstoffe auszuscheiden, son­dern hemmt auch den Hunger.
  • Fleisch- und Käseersatzprodukte beschränkt konsumieren. Wie oben erwähnt, enthalten diese viel Fett, Salz und oft auch andere verarbeitete Produkte und sind so echte Kalorienbomben. Saisonales Obst und Gemüse immer konsequent als wichtigen Bestandteil jedes Gerichts einplanen:  Bei jeder Lust zu naschen, ist dies immer die beste Wahl.
  • Aktiv bleiben! Für eine gute Verdauung, einen gesunden Appetit und einen optimalen  Stoffwechsel ist körperliche Aktivität sehr wichtig (und natürlich nicht nur über die Festtage!). Gerade in dieser Zeit verbringen wir viel Zeit sitzend. Da gilt es also, besonders darauf zu achten, dass auch Bewegung auf dem Programm steht wie z. B. Spaziergänge, Wandern, Schneeschuhlaufen, Skifahren, Langlauf oder Schwimmen. Ein guter Anlass auch, um sich gemeinsam mit der Familie zu bewegen: schlitteln, einen Schneemann bauen oder im Wald spazieren.

Wenn es darum geht, auf (beabsichtigte oder auch unbeabsichtigte) Provokationen zu reagieren oder ein Gespräch über pflanzliche Ernährung zu führen, nur nicht aufbrausen. Um Frieden und gute Laune zu bewahren, konzentrieren Sie Ihre Antworten immer auf die eigene Erfahrung und vermeiden Sie Verallgemeinerungen: «Ich fühle mich in jeder Hinsicht sehr gut mit meiner Ernährung.» Sollte jemand insistieren, kann man z. B. vorschlagen, in einem persönlichen Gespräch (diese Diskussionen eignen sich nicht bei Tisch), über die grausamen Bedingungen der Schlachttiere zu diskutieren oder über die Verschmutzung der Erde und/oder über Gesundheitsprobleme. Falls auf der Beleidigungsebene gespielt wird «Was? Willst du nicht mal probieren, was deine Tante extra für heute Abend zubereitet hat?» … sagen Sie einfach nein danke und dass Sie kein … mehr essen, dass Sie sich aber sicher sind, dass es sehr lecker schmeckt und somit mehr davon für die anderen bleibt.

Familienzusammenkünfte sind oft sehr heikle Momente, wenn man gerade seine Lebensform geändert hat und dies nicht von allen Betei­ligten gut geheissen wird. Für harmonische Feiertage gilt daher: Gut vorbereitet ist schon halb gelungen. Wenn man bereit ist, Einsatz zu geben und mit der nötigen Portion Geduld, kann man auch mit einem veganen Festmahl schöne Momente in der Familie erleben. Ich persönlich esse schon seit 20 Jahren kein Fleisch und seit 7 Jahren keine tierischen Produkte mehr. Und seit 3 oder 4 Jahren sind Weihnachten bei uns mehrheitlich vegetarisch. Vor 5 Jahren hatte ich selbst noch nicht mal daran geglaubt, aber mit einem eigenen positiven Beispiel kann alles schnell anders aussehen,  indem man es vermeidet, den Teller der anderen zu kritisieren, hingegen aber Dankbarkeit zeigt für die Bemühungen der anderen. So kann im eigenen Umfeld viel bewirkt werden.

Dr. Laurence Froidevaux
Übersetzung aus dem Französischen: Olivia Villard

Haben Sie Fragen zur Ge­sund­heit im Zusammenhang mit vegetarischer oder ve­ga­ner Ernährung?
Wenden Sie sich an Dr. Lau­rence Froidevaux (Anfragen auf Deutsch werden von Swissveg übersetzt) an folgende Adresse:
sante@swissveg.ch

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