Skip to main content

Rinder

Das Rind – eine faszinierende Tierart mit ausgeprägten Persönlichkeiten, ist eines der am häufigsten gegessenen Tieren in der Schweiz. 2017 wurden in der Schweiz über 389 000 Rinder und über 216 000 Kälber geschlachtet.1 

Fakten und Interessantes 

Sozial komplex agierend, verfügen Rinder über eine grosse Intelligenz und landen, wie jedes «Nutztier», zu Unrecht auf unserem Teller oder an unserem Körper. Auf dieser Seite berichten wir über alle Facetten rund um das Rind – von seiner Geschichte, seinem Leiden, seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Wichtig dabei, was den Begriff Rind angeht: Nicht alle Rinder sind Kühe, aber alle Kühe sind Rinder! Mit Rind ist die Tierart gemeint, welche sich in männliche (Bulle/Ochse) und weibliche Tiere (Kuh) unterteilt. 

Fun Facts!2

  • Rinder sind intelligent: Sie verstehen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge – ein klares Zeichen für höherentwickelte kognitive Fähigkeiten. Kühe betätigen beispielsweise den Hebel einer Tränke, wenn sie durstig sind. Sie können auch mit ihrem Kopf auf einen Knopf drücken, um Weizen zu erhalten, wenn sie hungrig sind. Sie können nicht nur Probleme lösen, sondern freuen sich wie wir Menschen, wenn sie eine anspruchsvolle Aufgabe gemeistert haben.
  • Rinder haben beste Freunde: Sie erkennen sich nicht nur gegenseitig, sondern haben auch Freunde, die sie bevorzugen. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass sie besonders interessiert an und liebevoll zu bestimmten anderen Rindern sein können. Eine Studie ergab, dass mehr als die Hälfte der Tiere, wenn sie auf der Weide gehalten wurden, Zeit damit verbrachte, neben einer bestimmten Kuh zu essen und zu ruhen. Getrennt von der grösseren Gruppe schienen Kühe, die mit ihren bevorzugten Freunden zusammen waren, weniger aufgeregt zu sein. Eine weitere Studie ergab, dass Kühe in der Lage waren, andere Kühe, die sie im wirklichen Leben kannten, auf Fotos zu erkennen und dann zu diesen hinliefen.
  • Sie haben ausgezeichnete Sinne: Rinder haben einen sehr guten Geruchssinn und können Gerüche aus einer Entfernung von bis zu 10 Kilometern wahrnehmen. Zudem hören sie tiefe und hohe Frequenzen in einem Ausmass, das die menschlichen Fähigkeiten bei Weitem übersteigt.
  • Rinder kommunizieren miteinander: Über verschiedene Laute und Körperhaltungen, wie zum Beispiel die Kopf- und Schwanzposition, als auch über unterschiedliche Gesichtsausdrücke können Rinder sich miteinander unterhalten. Dabei spielen die Hörner eine wichtige Rolle. Kühe können mit ihrer Körperhaltung und ihren Stimmlauten eine ganze Palette an Emotionen ausdrücken, einschliesslich Zufriedenheit, Interesse, Wut und Leid. 2019 wurde dies in einer wissenschaftlichen Studie analysiert: www.nature.com.
  • Rinder haben ein komplexes Herdensystem: Rinder wählen konsequent Führungskräfte mit guten Sozialkompetenzen aus, die intelligent, neugierig, selbstbewusst und erfahren sind. Aufdringlichkeit, Egoismus, Grösse und Tapferkeit hingegen werden nicht als geeignete Führungsqualitäten anerkannt. Eine Herde Rinder ist einem Rudel Wölfe mit Alpha-Tieren und komplexer Sozialdynamik sehr ähnlich. Jedes Rind ist imstande, bis zu 100 Herdenmitglieder zu erkennen. Sozialbeziehungen sind sehr wichtig für Rinder, denn sie beeinflussen viele Bereiche ihres täglichen Lebens. Legt sich die Herde z. B. für ein Nickerchen ab, hat jede Stellung eines Rinds und die Anordnung, wie die Tiere liegen, einen direkten Bezug zu ihrem Status in der Herde.
  • Rinder weinen um verstorbene Familienmitglieder: Trennt man sie von ihren Familien, Freunden oder menschlichen Gefährten, trauern die Tiere über diesen Verlust. Die sanften Riesen vergiessen sogar Tränen.
  • Kühe wollen sich um ihre Kinder kümmern. Eine Kuh ohne ihr Kalb ist keine glückliche Kuh. Das ist eine traurige, unglückliche, verärgerte Mutter, die ihr Baby zurückhaben will. Sie brüllt nach ihm, sucht nach ihm. Sie mag den Verlust für eine Weile verdrängen, doch dann beginnt sie die Suche erneut. Es ist mit dem Trauern von Menschen vergleichbar.

Interessantes

Rinder sind in der ganzen Welt weitverbreitete Haustiere. Sie leben in Herden und bilden dabei im Herdenverband individuelle Freundschaften, die man auf den Weiden beobachten kann. Es grasen oft zwei bestimmte Tiere gemeinsam in der Nähe oder es liegen zwei nahe beieinander. Rinder habe eine der striktesten Rangordnungen überhaupt. Befreundete Tiere betreiben meistens gegenseitige Körperpflege. Rinder sind – ähnlich den Pferden – intelligent und zeichnen sich durch ihre besondere Neugier aus. Man kann ihnen einen Namen geben. Sie wissen genau, wenn man sie ruft. Rinder sind Pflanzenfresser und Wiederkäuer. Nach dem Grasen legen sie sich nieder und würgen das Gras vom Vormagen in den Mund, bevor sie es in den Magen befördern.3 Das Rind stammt vom eurasischen Auerochsen ab und wurde zuerst wegen seines Fleisches, später aber auch wegen seiner Milch und seiner Kraft domestiziert. Dies fand bereits vor 10 000 Jahren statt. Bis heute wurden mehrere Rinderrassen herangezüchtet. Durch das Ziel, möglichst ertragreiche Rinder zu generieren, wird der Rumpf länger, die Beine kürzer und das Euter grösser.4 

Bedürfnisse

Bewegen

Rinder bewegen sich in freier Natur oft mehrere Kilometer am Tag. Dies fördert ihre Gesundheit und verbessert auch das Sozialverhalten in der Herde. Durch die Intensivtierhaltung wird den Tieren das Stillen dieses wichtigen Bedürfnisses weggenommen. Die Lauffläche spielt eine grosse Rolle für die Fortbewegung der Rinder. Trockene und rutschfeste Böden mögen sie am liebsten. Fühlen sich Rinder sicher, halten sie während dem Laufen den Kopf hoch, ansonsten ist der Kopf tief und sie bewegen sich nur langsam fort. Der Bewegungs-Ruhe-Zyklus ist stark an den Wechsel zwischen hell und dunkel angelehnt.5

Ruhen

Das Ruhen ist ebenfalls ein wichtiges Grundbedürfnis der Rinder. Kühe ruhen etwa sieben bis zwölf Stunden pro Tag, Bullen und Kälber mit bis zu über zwölf Stunden sogar noch mehr.  Zuallererst wird immer der Liegeplatz geprüft. Kühe mögen es am liebsten, Rücken an Rücken an einer geschlossenen Wand zu liegen. Obwohl Rinder oftmals die Hälfte des Tages ruhen, befinden sie sich nur etwa 30 Minuten pro Tag im Tiefschlaf. Diese 30 Minuten werden in sechs bis zehn Perioden aufgeteilt. Ein hoher Liegekomfort ist für Rinder sehr wichtig, denn dieser hat positive Auswirkungen auf die Wiederkauaktivität und vermindert Klauenprobleme.5

Fressen

Rinder ernähren sich pflanzlich und sind Wiederkäuer. Durch das Wiederkauen können wildlebende Rinder in kurzer Zeit viel Nahrung zu sich nehmen und die Verdauung auf die Nacht verschieben, wo sie vor Raubtieren besser geschützt sind. Das Gras erreicht ein Rind aus dem Stand nicht, es muss dafür die Vorderbeine versetzt halten. Aufgrund der in Schweiz erlaubten Anbindehaltung ist es den Tieren nicht möglich, den natürlichen Weideschritt auszuführen.6

Rinder fressen sehr gerne gemeinsam mit ihren Artgenossen (synchrones Grasen). Die Hauptfresszeiten sind besonders morgens und abends. Nach etwa 30 bis 60 Minuten beginnen sie mit dem Wiederkauen. Rinder haben einen hohen Wasserbedarf, welcher sogar noch ansteigt, wenn sie sich in der Phase der Laktation befinden. Etwa zwei bis zehn Mal pro Tag wird getrunken, wobei die Trinkgeschwindigkeit bei bis zu 25 Litern pro Minute liegt! Werden Rinder in einem Anbindestall gehalten, trinken sie bis zu 20 Mal pro Tag.5

Fortpflanzung und Stillen

Erstaunlicherweise finden zwei Drittel der Geburten in der Nacht statt.5 Ist das Kalb geboren, steht es bereits nach 30 Minuten auf. Mit der Geburt des Kalbes setzt bei der Kuh die Milchbildung ein. Die Kolostralmilch, welche für das Immunsystem des Kalbes aufgrund der Zuführung von mütterlichen Antikörpern sowie reichlich Mineralstoffen und Vitaminen sehr wichtig ist, wird vom Tier in den ersten zwei Tagen getrunken. Wird eine Kuh für die Milchgewinnung ausgebeutet, wird das Kalb kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt. Die Kuh wird dann zweimal täglich gemolken und produziert in der Laktationsperiode um die 5000 Liter Milch, wobei Hochleistungstiere sogar das Doppelte erzielen.7

Ab der zweiten Lebenswoche nehmen Kälber Wasser und manchmal etwas Gras ein. Nach etwa acht bis zwölf Monaten würde sich das Kalb von der Mutter natürlich absetzen.5 Die Besamung der Kühe erfolgt heutzutage praktisch nie natürlich. Bereits sechs bis acht Wochen nach der Geburt eines Kalbes wird die Kuh von Neuem künstlich befruchtet. Sechs Wochen vor der Geburt wird aufgehört, die Kuh zu melken. Nach der Geburt des Kalbes wird das Melken direkt wieder aufgenommen.7

Sozialkontakt

Rinder sind gesellige, soziale Tiere, welche immer den Kontakt zu ihren Artgenossen suchen. Wichtige Merkmale bezüglich des Sozialverhaltens sind das Wiedererkennen, die Kommunikation, die Bildung von Freundschaften sowie die Rangordnung.
Das Wiedererkennen ist wichtig, um Auseinandersetzungen zwischen Rindern zu mindern. Bis zu 100 Herdenmitglieder können Rinder erkennen. Dies sorgt für ein friedliches Beisammensein. 
Rinder kommunizieren miteinander über verschiedene Laute und Körperhaltungen, wie zum Beispiel die Kopf- und Schwanzposition, als auch über unterschiedliche Gesichtsausdrücke. Dabei spielen die Hörner eine wichtige Rolle. Sie können mit ihrer Körperhaltung und ihren Stimmlauten eine ganze Palette an Emotionen ausdrücken, einschliesslich Zufriedenheit, Interesse, Wut und Leid. 2019 wurde dies in einer wissenschaftlichen Studie analysiert: www.nature.com.

Rinder pflegen durch das gemeinsame Fressen und Beisammensein sowie das gegenseitige Lecken des Körpers Freundschaften. Jungtiere spielen ausserdem häufig zusammen.
Die Rangordnung ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler, um Aggressionen und Kämpfe zu vermeiden. Durch die interne Hierarchie ist der Zugang zu Wasser, Nahrung und Sexualpartnern gut geregelt.
Obwohl Rinder sehr gesellige Tiere sind, halten sie zueinander gerne eine gewisse Distanz ein. Dieser Abstand wird auch Individualdistanz genannt und variiert je nachdem, ob die Tiere sich im Stall befinden (kürzere Distanz) oder sich beim Grasen befinden (längere Distanz).5 

Haltungsformen

In der Schweiz leben über 1,5 Millionen Rinder in unterschiedlichen Haltungsformen. Dabei wird je nach Zweck des Tieres die Haltungsform unterschieden. Milchkühe werden oft in Anbindeställen oder Laufställen gehalten, Mastrinder meist in Laufställen mit Ein- oder Mehrflächensystemen.6 Daneben gibt es weitere Haltungsformen im Rahmen von Förderprogrammen, um eine «tierfreundlichere» Haltung zu gewährleisten. Diese Programme heissen BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltung) und RAUS (Regelmässiger Auslauf im Freien).8 

Im Folgenden werden die verschiedenen Haltungsformen vorgestellt. Die Gesetzesartikel 6 und 7 des Tierschutzgesetzes (TSchG), welche besagen, dass Tiere angemessen ernährt, gepflegt und für ihre Beschäftigung und Bewegungsfreiheit gesorgt werden muss sowie verschiedene Haltungsformen nur dann bewilligt sind, wenn sie den Anforderungen einer tiergerechten Haltung entsprechen, werden dabei oft verletzt!9 

Konventionelle Rinderhaltung 

Anbindeställe

In Anbindeställen werden Milchkühe auf sehr engem Raum gehalten, wo sie kaum Platz haben, um zu fressen oder zu liegen. Von den Bauern wird lediglich verlangt, den angebundenen Tieren an mindestens 90 Tagen im Jahr Auslauf im Freien zu gewähren, 30 Tage davon müssen im Winter sein. Der Auslauf muss in einem Auslaufjournal festgehalten werden. Inwiefern das eingehalten bzw. auch kontrolliert wird, bleibt fraglich. Der Konsument stellt sich unter diesem Auslauf eine saftige, grüne Wiese vor. Wahrscheinlicher ist allerdings ein Auslauf auf einem betonierten Platz. Das BLV schreibt selbst, dass die Anbindehaltung die Rinder in ihrer Bewegung stark einschränkt. Dennoch bleibt sie erlaubt. Tierfreundlich ist es ganz bestimmt nicht, 275 Tage im Jahr angebunden zu sein. Am selben Ort. Ohne je ein Verbrechen ausgeübt zu haben. Der Gesetzgeber dieser Quälerei schimpft sich als Land mit dem höchsten Standard für Tierwohl und -schutz.

Elektrische Kuhtrainer

In der konventionellen Rinderhaltung werden oft elektrische Kuhtrainer eingesetzt, um die Kühe zu steuern. Dies bedeutet, dass Kühe regelmässig Stromschläge erhalten, wenn sie sich falsch bewegen, damit sie einen Schritt zurück machen und so ihren ihnen zugesprochenen Raum sowie sich selbst sauber halten. Dies bedeutet für die Kühe, dass sie in ihrem Verhalten (Körperpflege, Fliegenabwehr, Brunst) deutlich eingeschränkt sind. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen macht jedoch darauf aufmerksam, dass elektrische Kuhtrainer als nicht tiergerecht eingestuft werden. Der Tierschutz fordert, dass keine neuen Elektrobügel an Standplätzen mehr eingerichtet werden.6 Swissveg fordert, dass KEINE Elektrobügel mehr eingesetzt werden dürfen. Es reicht nicht aus, dass keine neuen eingerichtet werden, solange Tiere aktuell darunter leiden müssen.

Auch Mastrinder und Ochsen verbringen den grössten Teil ihres Lebens in Ställen. Oftmals haben die Ställe sogenannte Spaltenböden, bei welchem die Körperausscheidungen durch Spalten im Boden ablaufen sollen. Das sind harte, oft schmutzige Böden, welche keine artgemässe Bewegung und kein arttypisches Sozialverhalten zulassen. Seit 2013 muss ein Teil dieses Bodens mit einer harten Gummimatte zugedeckt sein. Einstreu und Auslauf sind jedoch nach wie vor fakultativ. Um sich die Situation besser vorzustellen: Ein Rind, welches eine halbe Tonne wiegt, hat drei Quadratmeter Platz.10 Swissveg fordert, dass ein Recht auf tägliche Bewegung und Auslauf zu den Mindestanforderungen der Tierhaltung gehören!

Laufställe

In Laufställen können sich Kühe etwas freier bewegen als in Anbindeställen. Die Tiere dürfen umhergehen und haben Zugang zu Liegeboxen, welche jedoch nach wie vor nur knapp bemessen sind. Die erhöhte Bewegungsmöglichkeit in den Laufställen hat jedoch häufig die Konsequenz, dass Kühen die Hörner abgebrannt werden, um das Verletzungsrisiko niedrig zu halten.11 Dabei müsste dies gar nicht der Fall sein. Auch in einem Laufstall sind behornte Kühe durchaus möglich, wenn die Haltung etwas artgerechter geschieht. 1213, 14 Weitere Informationen zum Thema gibt es auch hier: Lasst Kühen die Hörner!

Vermeintliche Tierwohlbeiträge

Anstatt die gesetzlichen Mindestanforderungen zu erhöhen, bietet der Schweizer Bund den Landwirten mittels Förderprogrammen die Möglichkeit, zusätzliche Subventionen zu erhalten.

BTS

BTS steht für ein Förderprogramm des Bundes, welches eine «besonders tierfreundliche Stallhaltung» darstellen soll. Bieten Tierhalter den Tieren Bedingungen an, welche über das gesetzliche Minimum hinausgehen, erhalten sie finanzielle Beiträge vom Bund.8 Im Vergleich zur konventionellen Haltung erhalten Rinder in BTS-Ställen mehr als doppelt so viel Platz. Was «besonders tierfreundlich» eingestuft werden kann, hängt natürlich auch davon ab, wie tierunfreundlich das gesetzliche Minimum aussieht.

RAUS

Auch hier handelt es sich um ein Förderprogramm, welches sich für mehr «Tierwohl» engagiert. Die Abkürzung steht für «Regelmässiger Auslauf im Freien». Häufig wird dieses Programm in Kombination mit BTS geführt. Konkret bedeutet das RAUS-Programm, dass zwischen dem 1. Mai und 31. Oktober den Tieren monatlich an mindestens 26 Tagen Auslauf auf eine Weide gewährt werden muss. Nebstdem sind die Ställe tierfreundlicher gestaltet und die Tiere werden «möglichst natürlich» gefüttert.8 In Bezug auf Milchkühe beträgt der Anteil am RAUS-Programm in der Schweiz 81 %. Bei Mast- und Kuhkälbern hingegen beträgt der Anteil jedoch lediglich 28 %.15

Ob BTS oder RAUS – dem Konsumenten wird in der Werbung vorsätzlich vorgegaukelt, dass er eine besonders tierfreundliche Haltung fördert, wenn in Realität Tiere systematisch ausgebeutet werden und keineswegs natürlich leben dürfen. Sie dürfen nicht Tier sein, sondern dienen als NUTZ-Tier, um den Menschen wirtschaftlich-rentable Produkte zu liefern. Der Konsument wird in die Irre geführt. 

(Aus-)Nutzung

Milchproduktion

In der Schweiz leben rund 750 000 Milchkühe, welche, obwohl sie durchschnittlich 20 Jahre alt werden könnten, aufgrund der Zucht nur noch fünf bis sechs Jahre alt werden. Milchkühe werden auf Hochleistung gezüchtet und meistens jährlich künstlich besamt, damit sie rund um die Uhr Milch produzieren. Eine sogenannte Hochleistungskuh gibt bis zu 12 000 Liter Milch im Jahr, was vergleichbar ist mit einem Spitzensportler, welcher jeden Tag einen Marathon läuft.1617 Diese hohe, angezüchtete Milchleistung führt immer öfter zu schweren Euterentzündungen, Tiermissachtungen, ein lebenslängliches Tierunwohl und vorzeitigem Sterben der Tiere. Antibiotikaeinsatz ist dabei Standard in der Milchproduktion. Menschliche Qualitätsparameter und immer öfters rein wirtschaftliche Faktoren führen dazu, dass diese hochentwickelten und sehr intelligenten Tiere, sobald eine kleine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit ansteht, oft geschlachtet werden. Tierarztkosten dürfen in den meisten Fällen einen sehr niedrigen Maximalbetrag nicht übersteigen.
Hinzu kommt das psychische Leiden der Milchkühe, wenn sie von ihren neugeborenen Kälbern getrennt werden. Eine erfahrene Mutter- oder Milchkuh stellt sich schon früh auf die nahende Geburt ein und so wird schon vor der Geburt der Lockruf für das noch ungeborene Kälbchen geübt. Kommt das Kalb dann zur Welt, wird es sofort trocken geleckt. Dadurch wird eine Prägung hergestellt. So erkennt die Mutter schon am ersten Tag ihr Kind am Geruch. Dieses Verhalten dient auch gleichzeitig zur Vorbeugung von Krankheiten. Sie lässt nur unter besonderen Bedingungen ein anderes Jungtier an ihren Euter. Nach gut einer Woche kann die Mutter ihr Kleines auch an der Stimme aus einer Gruppe von Kälbern heraushören und nach zwei Wochen erkennt sie es auch am Aussehen. 
Für die Milchindustrie hingegen werden Kalb und Mutterkuh bereits wenige Stunden nach der Geburt des Kalbes getrennt, damit sie keine zu enge Bindung zu ihrem Jungen aufbaut. Dieser Verlust ist für die Mutterkuh ein traumatisierendes Erlebnis. Tagelang ruft sie nach ihrem Jungen. Das erschütternde Klagen der Kühe ist ein vertrauter Klang auf dem Land. Die Milch ist für die Milchproduktion reserviert. Diese Praxis ist auch bei der sogenannten Bio-Haltung üblich!

Fleischproduktion

Mastrinder

Rund 850 000 Mastrinder leben in der Schweiz, welche der Fleischproduktion zum Opfer fallen. Darunter finden sich Bullen (unkastrierte männliche Rinder), zum Teil auch Ochsen (kastrierte männliche Rinder), Färsen (weibliche Rinder, welche kein Kalb geboren haben) oder wie im oberen Abschnitt beschrieben unproduktiv gewordene Milchkühe.
Mastrinder und Mastkälber werden explizit für die Fleischproduktion gezüchtet: Sie sollen möglichst schnell viel Muskelmasse aufbauen. Mastkälber erhalten dazu Milchaustauscher und Kraftfutter. Um das Fleisch hell zu halten, erhalten sie oftmals nur die Mindestgabe an Heu. Sie leiden unter Eisenmangel. Mastkälber werden im Alter von drei bis fünf Monaten geschlachtet. Mastrinder werden in der Regel nach 14 bis 20 Monaten geschlachtet.18 Während ihres gesamten Lebens werden die Grundbedürfnisse der Tiere wie Nahrungssuche, Körperpflege, Ruhe- und Sozialverhalten zurückgedrängt. Zusätzlich kommt es häufig zu Krankheiten und Leiden wie beispielsweise der Muskelhypertrophie: Das bedeutet, dass sich bei Mastrindern an den Hintergliedmassen ein ungehemmtes Muskelwachstum entwickelt, was zu Gelenk- und Organschäden führt. Aber auch psychische Leiden lassen die Tiere ein würdeloses Leben führen.19

Mastkälber

Zukünftige Mastkälber stammen meistens aus Milchkuhbetrieben und sind vor allem männliche Nachkommen der Milchkühe. Ist das Neugeborene ein weibliches Kalb und es gibt keinen Bedarf, es als Milchkuh einzusetzen, wird jedoch auch dieses gemästet. Mastkälber müssen innerhalb kurzer Zeit an Gewicht zulegen.19

Kälber-Iglus

Die Kälber, die aufgezogen werden, um Kalbfleisch zu bekommen, werden den Müttern nur wenige Tage nach der Geburt entrissen, damit die Milch, die ja eigentlich für das Kälbchen bestimmt wäre, für die Menschen gemolken werden kann. Doch die Neugeborenen leiden, nebst Sehnsucht nach mütterlicher Geborgenheit, unter starker Sauglust, sodass sie in Einzelhaft gesperrt werden, damit sie die anderen Tiere nicht wundsaugen. Die Einzelhaltung gehört mitunter zu den traurigsten Aspekten der ausbeuterischen Nutztierindustrie: Unschuldige Babys werden in Iglus weggesperrt und isoliert. Im Sommer leiden die Kälber häufig unter enormem Hitzestress: Je nach Standort und Material heizen die Iglus so stark auf, dass die Kälber sogar lieber direkt unter der Sonne stehen, als im Iglu zu liegen.
An schwülen Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit beginnt Hitzestress bereits unter 26 Grad Celsius, da die beim Schwitzen abgegebene Feuchtigkeit schlechter verdunstet und den Körper der Tiere nicht mehr abkühlen kann. Gleiches gilt, wenn die Kälber der Sonne direkt ausgesetzt sind. Dies kann zu einer Überhitzung des Körpers führen, welcher das junge Tier ab einer gewissen Temperatur nicht mehr gewachsen ist.20

Anstelle der Muttermilch werden die Kälber mit einem Milchersatz gefüttert, der oft mit Hormonen angereichert ist und dem Eisen entzogen wurde, denn Blutarmut macht das Fleisch weiss und zart. Im Alter von 16 Wochen (Schnellmastverfahren) oder 20 bis 26 Wochen (verlängerte Kälbermast) werden sie dann geschlachtet. Oft sind sie schon zu schwach und verkrüppelt, um noch laufen zu können. Beat Mühlethaler, Geschäftsführer der Kälbermastorganisation «Univo», bestätigt in einer Sendung des SRF: «Kälbermast in Grossbetrieben ist heute ohne Antibiotika gar nicht mehr möglich.»21 
Bis im Alter von vier Monaten dürfen Kälber in der Schweiz nicht angebunden werden und Ställe müssen einen eingestreuten Liegebereich aufweisen. Ab dem vierten Monat dürfen sie auf perforierten Böden gehalten werden, jedoch müssen die Böden mit einem weichen, verformbaren Material versehen sein.11 Letztendlich fristen auch Kälber ein Leben ohne grosse Beschäftigungsmöglichkeiten, das nicht selten mit grossen psychischen und physischem Leiden verbunden ist, bis sie geschlachtet werden.

Transport, Betäubung und Schlachtung

Auf dem Weg zum Schlachthof werden Kühe in Europa in einem Transporter befördert, der ihnen lediglich 1,5 m2 Platz pro Tier bietet. Das ist das gleiche Verhältnis, wie wenn ein 180 cm grosser Mensch auf einem Autokindersitz festgeschnallt und in den Kofferraum eines mittel­grossen PKWs verladen würde. Nach dem oft stundenlangen Transport werden die Milchkühe wie auch Mastrinder und Mastkälber in einen Wartebereich getrieben. Der Einsatz von elektrischen Treibhilfen ist in der Schweiz erlaubt und kommt immer wieder zum Einsatz.
Vor der Schlachtung müssen Rinder, wie auch alle anderen Säugetiere, betäubt werden (Geflügel darf in der Schweiz geschächtet werden).

Für Rinder sind mehrere Betäubungsmethoden erlaubt. Die Betäubung mit dem Bolzenschussapparat bedeutet, den Tieren durch einen Kopfschuss eine Gehirnerschütterung zuzufügen, wobei das Gehirngewebe zerstört wird. Die elektrische Durchströmung ist ebenfalls eine erlaubte Betäubungsmethode. Die Tiere werden an Kopf und Hals fixiert und gegen eine Platte gedrückt, wobei Strom durch den Kopf fliesst. Von der Seite her drücken Metallelektroden an den Körper, wodurch ein irreversibles Kammerflimmern ausgelöst wird.22
Aufgrund des Zeitdrucks kommt es immer wieder zu Fehlbetäubungen.23 Nach der Betäubung fallen die Tiere zu Boden, werden an einer Kette am Hinterbein aufgehängt, mit einem Messerstich aufgeschlitzt und ausgeblutet, bevor der Schlachtkörper schliesslich weiterverarbeitet wird.

Was bei Milchkühen unbedingt zu erwähnen ist, ist die Tatsache, dass trotz Deklarationspflicht tausende trächtige Tiere pro Jahr in der Schweiz geschlachtet werden. Hierbei sterben die ungeborenen Föten langsam durch Sauerstoffmangel, aber erst, nachdem die Mutter tot ist. Die Strafgebühr von 100 Franken, welche ab 1. Januar 2020 eingeführt wurde, erweist sich als ungenügende Massnahme, dieses Leid zu verhindern.24 

Störungen des Sozialverhaltens 

Der Gesetzesartikel 3 wird stark verletzt. Laut diesem sind die Tiere so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden.9

Zungenrollen

Das Zungenrollen oder auch Zungenschlagen genannt, ist eine Verhaltensstörung ohne erkennbare Funktion. Sie tritt im Zusammenhang mit einem gestörten Nahrungsaufnahmeverhalten auf. Aufgrund der fehlenden natürlichen Nahrungsaufnahme sowie einer künstlichen Fütterung beginnen Rinder, ihre Zungen zu rollen, was dem «Scheinabreissen von Gras» entspricht. Insbesondere bei künstlich aufgezogenen Kälbern, welche nur einen geringen Anteil an Rohfasern mit der Nahrung erhalten, ist dieses Verhalten häufig zu beobachten.5

Besaugen

Es kommt vor, dass sich Kälber und Jungtiere gegenseitig besaugen. Konkret heisst das, dass Ohren, Nase und Euteranlage von anderen Tieren besaugt werden. Dies tritt auch im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme auf. Das Verhalten deutet auf Energiedefizite und eine nicht ausreichende Versorgung mit Raufutter in der Entwöhnungsphase hin.5

Trauern

Unter dem Trennungsschmerz, wenn der Mutterkuh ihr Kalb weggenommen wird, leidet sowohl die Kuh als auch das Kalb. Nachdem man ihr das Kalb weggenommen hat, ruft die Mutterkuh oft tagelang verzweifelt nach ihrem Neugeborenen und dreht sich suchend nach ihm um. Wissenschaftler berichten, dass die Tiere unter anderem Tränen vergiessen und sehr bedrückt sind. Eine Trennung von Mutter und Kind bedeutet also für beide Seiten sehr viel Leid und Stress.2 

Eingriffe

Abbrennen der Hörner

Hierzulande haben 9 von 10 Kühen keine Hörner mehr. Sie werden ihnen entfernt, damit sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen, aber auch, um Zeit und Geld zu sparen. Denn hornlose Kühe benötigen weniger Platz und weniger Betreuung im Stall. Bei einer tier- und artgerechten Haltung würde sich dies erübrigen, da die Tiere eigentlich gern im Herdenverband leben. In der freien Natur sind die Hörner für die Kühe ein wichtiges Kommunikationsmittel und sie regeln damit die Rangordnung innerhalb der Gruppe. 
Bei der Enthornung dürfen Kälber nicht älter als drei Wochen sein. Zudem muss der Eingriff unter Betäubung und Schmerzmittelabgabe erfolgen.25 Nichtsdestotrotz ist die Enthornung ein sehr schmerzhafter Prozess. Die Hornanlagen, welche von Nerven durchzogen sind, werden den Tieren mithilfe eines heissen Brennstabes zerstört.26 

Einsetzen von Nasenringen

Ist das gegenseitige Besaugen in einem Rinderbestand ein Problem, kann es zum Einsatz von Saugschutzringen kommen. Durch solche Ringe, welche an der Nasenscheidewand eingeklemmt werden und über nach aussen weisende Spitzen verfügen, soll eine Abwehrreaktion beim besaugten Tier hervorgerufen werden. Es existieren verschiedenste Modelle und Grössen von Saugschutzringen. Ringe, welche die Nasenscheidewand oder Bereiche des Mauls ganz durchstossen, sind in der Schweiz laut Tierschutzgesetz nicht erlaubt.26 Nichtsdestotrotz kommt es immer wieder zu Vorfällen, bei welchen ein Nasenring invasiv eingesetzt wurde. Dies wird zu Unrecht häufig nicht bestraft. 27

Künstliche Befruchtung

Die Besamung der Kühe erfolgt heutzutage meistens nicht mehr natürlich, sondern man gewinnt Bullensperma, welches tiefgefroren wird und schliesslich bei Bedarf in die Kuh eingeführt werden kann. Für die Gewinnung des Bullenspermas wird ein Phantom als Deckpartner sowie eine künstliche Vagina eingesetzt.28 Mit Hilfe eines Besamungsgerätes wird das Sperma in die Gebärmutter der Kuh injiziert. Dazu wird immer eine Hand in das Rektum der Kuh eingeschoben.29 Etwa sechs bis acht Wochen nach der Geburt eines Kalbes erfolgt bereits die nächste Besamung der Kuh. Der Eingriff muss sowohl beim Bullen als auch bei der Kuh als absolute Überschreitung der Körpergrenzen verstanden werden. Man kann durchaus von einer Vergewaltigung der Tiere sprechen.

Ohrmarken

Laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen müssen unter anderem Klauentiere gekennzeichnet werden, um die Tiere zu identifizieren und eine Rückverfolgbarkeit bezüglich Seuchenbekämpfung zu ermöglichen. Dabei muss die Kennzeichnung eindeutig und dauerhaft sein. Sie erfolgt durch das Anbringen von amtlichen Ohrmarken. Rinder sind spätestens 20 Tage nach der Geburt mit Hilfe einer Ohrmarkenzange mit zwei Ohrmarken zu kennzeichnen.30 Da die Ohren von vielen Nerven durchzogen sind, kann man sich vorstellen, dass das Stechen mit grossen Schmerzen verbunden ist. Ausserdem können Blutgefässe platzen und allergische Reaktionen und Entzündungen am Ohr auftreten. Und nicht zuletzt empfinden die Tiere zumindest zu Beginn die Marken als störenden Fremdkörper. Zum Teil versuchen die Tiere, die Marken durch Kratzen und Kopfschütteln loszuwerden. Gelingt es ihnen, entsteht eine tiefe Wunde, welche vernarbt. Diese aufgeschlitzte Ohren sind stark in ihrer Funktion eingeschränkt.31

Gesetzesausnahmen

Kontrollierbarkeit der Einhaltung von Gesetzen

Aus wirtschaftlichen Gründen wird oft nicht an den vorgeschriebenen Gesetzen des schweizerischen Tierschutzgesetzes festgehalten. Zudem fehlt es oft an Personal, welches überprüft, ob Gesetze während der Haltung, aber auch beim Schlachtungsprozess, eingehalten werden. Ausserdem mangelt es an Ressourcen bei den Behörden, so dass viele Strafanzeigen versanden.

Auswirkungen des Tierschutzgesetzes

Leider wird im Tierschutzgesetz nicht festgelegt, was man unter den Bedürfnissen von «Nutztieren» versteht. Es ist auch nicht festgehalten, was genau mit Misshandeln und starker Vernachlässigung gemeint ist. Das Gesetz lässt deshalb viel Interpretationsspielraum zu und schützt die Tiere kaum wirkungsvoll. Privatpersonen und Tierschutzorganisationen haben zudem keine Möglichkeit, bei Verstössen direkt gegen Tierhalter zu klagen. Sie können einen Fall lediglich beim kantonalen Veterinäramt melden, der dann die Zustände vor Ort anschaut. Was jedoch fehlt, ist ein effizienter Vollzug. Zumindest in der Theorie werden von den Kantonsveterinären unangemeldete Kontrollen gemacht. (Siehe Artikel 30 Abschnitt 2a) Ein Problem ist aber, dass diese Kontrollen sehr selten stattfinden, da die zuständigen Ämter in vielen Kantonen völlig überlastet – bzw. personell unterbesetzt – sind. Eine konsequente Durchsetzung der geltenden Tierschutzbestimmungen, sowie auch die Durchsetzung von empfindlichen Sanktionen gegenüber den Tierhaltern, würde helfen zu vermeiden, dass Tierleid sich auszahlt. Genauere Auskunft gibt es beim Schweizer Tierschutzgesetz unter www.admin.ch

 

Weitere Infos
You like what you see?

Support us now

Spenden
Mitglied werden
Support animal welfare now