Ist es fanatisch, wenn jemand nicht mal ausnahmsweise, z.B. bei einer Einladung, Fleisch konsumiert?
Wer konsequent auf das Essen von Tieren verzichtet, gilt bei vielen Menschen als fanatisch.
Auf Fleischkonsumenten wirkt eine solche Einstellung extrem, weil sie weit von ihrer eigenen Lebensweise entfernt ist.
Nüchtern betrachtet heisst der Vorwurf: Es wird als extrem angesehen, wenn man Mitgeschöpfe, die man liebt, auch nicht «ausnahmsweise» umbringen lässt, um ihren toten Körper zu verspeisen.
Ist es nicht viel extremer, ein Lebewesen bloss zur Befriedigung des eigenen Gaumens zu töten oder – was die Regel ist – töten zu lassen? Ist es nicht etwas schizophren, wenn sogenannte Tierschützer und Tierfreunde sich um Haus- und Pelztiere kümmern, aber gleichzeitig gedankenlos Fleisch von sogenannten Schlacht- und anderen Nutztieren essen?
Auch aus ökologischer und biologischer Sicht spricht alles dafür, Tiere nicht als Nahrungsmittel anzusehen, sondern als fühlende Mitgeschöpfe zu akzeptieren.
Normal oder extrem?
Dass Vegetarier überhaupt als fanatisch oder extrem angesehen werden können, liegt also nicht daran, dass ihre Beweggründe nicht nachvollziehbar wären, sondern dass die Mehrheit der Menschen ihre Lebensweise trotz den überzeugenden Argumenten nicht teilt.
Dies lässt sich zum Beispiel auch daran beobachten, dass in der Schweiz niemand als extrem bezeichnet wird, der keine Katzen isst. Weil eben kaum jemand Katzen isst, gilt dies als normal. Da jedoch die überwiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Schweine isst, gilt es nicht als normal, wenn jemand konsequent darauf verzichtet.
Schlachthöfe sind normal
Rein logisch gesehen wäre das Wort «fanatisch» eher bei Personen angebracht, die mit ihrem Geld Tierfabriken und Schlachthöfe finanzieren, bloss um ihren Gaumen zu befriedigen. Dass sie mit ihrem Geld diese Dinge finanzieren, die sie eigentlich ablehnen, wird beim Fleischeinkauf jedoch meist verdrängt.
Die Verantwortung für die Taten, welche durch den Fleischkonsum erzwungen werden, wird abgeschoben und verdrängt.
Konsequente Vegetarier zeigen nun aber auf, dass der Fleischkonsum keineswegs notwendig ist. Eine Strategie von Fleischessern damit umzugehen ist, dass sie die Vegetarier als Extremisten und Fanatiker abstempeln. Durch diese Diffamierung wird kaum noch jemand von ihnen verlangen, selbst mit dem Fleischkonsum aufzuhören und somit selbst zu einem «Extremisten» zu werden.
Vegetarier sind jedoch nicht extrem, sondern die konsequentesten Tier- und Umweltschützer, für die der Tierschutz nicht nur eine Freizeitbeschäftigung zur Beruhigung des eigenen Gewissens gegenüber der Tierwelt ist, sondern auch ein integrierter Bestandteil ihrer Lebensführung.
Objektiv betrachtet ist es also keinesfalls extrem, eine konsequente Tierfreundin, ein konsequenter Tierfreund zu sein und deshalb nicht nur bei sich zu Hause sondern auch auswärts tierische Produkte nicht zu essen. Das darf ruhig auch soweit gehen, nicht nur offensichtliche Schlachtprodukte wie Schnitzel und Braten vollständig zu meiden, sondern auch z.B. zu Gelatine verarbeitete Knochen, aus denen manche Gummibärchen und Getreideriegel bestehen.
Renato Pichler
- Mensch-Tier Beziehung: Gibt es Grenzen der Toleranz?