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Gesundheitsfragen zu Schwangerschaft und Kindheit an Dr. Laurence Froidevaux

«Ich bin in der 5. Woche schwanger und möchte mich nun vegan ernähren, um während der Schwangerschaft nicht zu viel zuzunehmen. Bei meinem ersten Kind hatte ich 25 kg zugenommen, von denen ich die letzten 5 kg noch nicht wieder abgenommen habe. Ich denke schon seit längere Zeit darüber nach, vegan zu werden, für meine Gesundheit und für die Tiere, aber ich bin mir nicht sicher, ob dies während der Schwangerschaft empfehlenswert ist.»

Anne-Lise, Neuchâtel

Ja, sich während der Schwangerschaft vegan zu ernähren ist möglich und sogar sehr gesund, wenn man ausgewogen isst. Wählen Sie hauptsächlich Vollwert-Nahrungsmittel, essen Sie viel Gemüse, viel Obst, Hülsenfrüchte, Getreide sowie Nüsse/Kerne für eine optimale Zufuhr an allen Nährstoffen. Was bei einer veganen Ernährung für Sie interessant sein kann, ist die Kalorienreduktion und vor allem die verminderte Zufuhr an schlechten Fetten und Eiweissen. Sie vermeiden also auf ganz natürliche Art die sogenannten leeren Kalorien, die eine grosse Gewichtszunahme fördern und den bei schwangeren Frauen bekannten Heisshunger auslösen.

Der Kalorienbedarf des Ungeborenen steigt während der ganzen Schwangerschaft tatsächlich nur sehr wenig: Im ersten Trimester gibt es keinen zusätzlichen Bedarf, im zweiten Trimester werden durchschnittlich 340 zusätzliche Kalorien pro Tag empfohlen, und für das dritte Trimester dann 452 Kalorien.1 Dieser Bedarf ist relativ gering, verglichen mit einem normalen täglichen Kalorienbedarf von ungefähr 2000 kcal für eine Frau.
Wenn es Ihnen schwer fällt, bei Schoggimousse oder Pizza nicht schwach zu werden, ist es immer am besten, gut auf diese Gelüste vorbereitet zu sein. Finden Sie angemessene Alternativprodukte und halten Sie sie zuhause stets bereit, z. B. Apfelschnitze mit ein wenig Nussmus oder ein bis zwei Stück schwarze Schokolade (70 % oder mehr). Für die Lust auf Salziges: bereiten Sie selber Hummus zu und halten Sie immer frische Rohkost im Kühlschrank bereit. Pizza kann ebenso gut auch selber zubereitet werden, heute findet man sogar veganen Mozzarella, der gut schmilzt.

Sehr wichtig für Mutter und Kind ist auch regelmässiges Sporttreiben während der Schwangerschaft. Klar, wenn Sie keine Joggerin sind, ist dies bestimmt nicht der Moment, mit dem Joggen anzufangen, aber es gibt viele Sportarten, die sehr gut für Schwangere geeignet sind. Fragen Sie Ihren Gynäkologen oder Ihre Hebamme nach der besten, für Sie geeigneten körperlichen Aktivität.

Ganz wichtig: Denken Sie daran, dass die Vitamin-B12-Supple­mentierung unerlässlich ist.

 

«Mein 6-jähriger Sohn weigert sich, pflanzliche Milch zu trinken. Er isst auch gar kein Gemüse ausser Karotten. Nachdem ich mich über die Nachteile der Milchprodukte informiert hatte, habe ich unsere Ernährung um einiges verbessern können, mein Sohn jedoch will diese Veränderungen nicht annehmen.»

Jacqueline, Renens

Als erstes gratuliere ich Ihnen zum mutigen Bewusstwerden über die Realität der Milchprodukte. Es ist ein grosser Schritt ins Unbekannte, wenn man beschliesst, seine Ernährung umzustellen. Was pflanzliche Milchalternativen betrifft, empfehle ich Ihnen, zuerst eine geschmacksneutrale Sorte wie z. B. Reismilch oder Mandelmilch zu wählen, und dabei auf keinen Fall ein Produkt mit beigefügtem Zucker oder Aromen (was bei aromatisierter Sojamilch oft der Fall ist). Als zweites, wenn Sie dann für Ihren Sohn Kakao (oder anderes) zubereiten, ersetzen Sie die Kuhmilch schrittweise mit der pflanzlichen Alternative, indem Sie am Anfang nur einen kleinen Anteil pflanzlicher Milch beimischen und diesen dann zunehmend erhöhen. Es gibt viele hilfreiche Tricks: Ich habe z. B. eine Patientin, die bei der Umstellung anfangs immer eine leere Kuhmilch-Tüte im Kühlschrank stehen hatte, die sie dann jeweils mit pflanzlicher Milch füllte, bis sich die Kinder an den «neuen» Geschmack gewöhnt hatten.
Was die Abwechslung in der Ernährung betrifft, wird es ein wenig komplizierter und gleichzeitig auch viel einfacher. Ein Kind wird sich selbst nie verhungern lassen. Daher sollte man ihm einfach keine anderen Nahrungsmittel zur Auswahl geben als jene, die aufgetischt werden. Wichtig: Es ist erlaubt und normal, etwas nicht zu mögen. Es geht also überhaupt nicht darum, ein Kind zu zwingen, etwas zu essen, was es nicht mag. Vielmehr kann man es anleiten, ein neues Nahrungsmittel zu probieren. Dies geschieht dann am leichtesten, wenn das Kind Hunger hat und weiss, dass es nichts anderes zu essen gibt (ausser es verabscheut das betreffende Nahrungsmittel wirklich). Diese Angewöhnung erfordert sehr viel Disziplin, doch mit der Gewohnheit werden auch solche Situationen viel einfacher für alle.

Besonders wichtig bei der Kinderernährung ist, mit gutem Beispiel voranzugehen. Sieht das Kind, dass Sie selbst sich abwechslungsreich ernähren und Ihre Gewohnheiten ändern, muss es spüren, dass Sie sich dabei sicher sind, dass Sie es aus Liebe zu Ihrer Gesundheit und jener Ihres Kindes tun sowie aus Liebe zu den Tieren und zur Erde. Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, dass die Umstellung aus Angst, Zwang oder aufgrund einer neuen Laune durchgeführt wird..

Hier einige Tipps, um das Kind dazu zu ermutigen, von allem zu probieren:

  • Kinder an der Zubereitung teilhaben lassen, das Ganze spielerisch gestalten, z. B. indem man sie erraten lässt, wieviel Wasser die Linsen aufsaugen werden, wenn man sie über Nacht einweicht, und mit ihnen am nächsten Morgen das Resultat anschauen.
  • Wird in der Schule ein bestimmtes Thema besprochen, passende Gerichte der betref­fenden Epo­che oder Region finden. Z. B. mexikanische Spezialitätenbereiten, wenn die Azteken besprochen werden, und die Verbindung zwischen Kultur und Nahrung aufzeigen.
  • Ein anderes Beispiel aus der Praxis: Die Kinder eines Kollegen lieben grüne Smoothies über alles. Er hat ihnen erklärt, dass grüne Smoothies das Lieblingsgetränk von Hulk seien! Auch wenn sich in diesem Fall vermutlich eher die Jungs angesprochen fühlen, zeigt es doch schön, dass ein spielerisch-kreativer Umgang mit Ernährungsgewohnheiten bei Kindern die gewünschten Effekte erzielen kann.

 

Dr. Laurence Froidevaux


Übersetzung aus dem Französischen: Olivia Villard

Wenden Sie sich bei Gesundheitsfragen an Dr. Lau­rence Froidevaux (Anfragen auf Deutsch werden von Swissveg übersetzt) an folgende Adresse:
sante@swissveg.ch

  1. Food and Nutrition Board, Institute of Medicine. Dietary reference intakes for energy, carbohydrate, fiber, fat, fatty acids, cholesterol, protein, and amino acids (macronutrients). Wa­shing­ton, DC: National Academy Press; 2005.

 

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