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Tiere können nicht wählen - deshalb müssen wir es für sie tun

Grundsätzliche Überlegungen zu einer selbstverständlichen Entscheidung

Demokratie: Das perfekte System?

Über die Vorteile der Demokratie brauchen wir nicht zu sprechen: Sie sind in aller Munde. 
Ihre Nachteile bzw. deren Folgen sind ebenfalls bekannt: Sie stehen in allen Zeitungen und sind Gegenstand jeder Nachrichtensendung - Missstände und Ungerechtigkeiten aller Art. Freilich: Vielleicht existieren diese Missstände und Ungerechtigkeiten nicht wegen, sondern trotz der Demokratie, vielleicht gehören sie zum notwendigen Nebenprodukt jeder Staatsform, weil sie unausweichliche Begleiterscheinungen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens sind.

Andererseits wäre es naiv anzunehmen, dass die Demokratie immer die beste Organisationsform zur Lösung anstehender Probleme darstellt. Ein Beispiel soll genügen: Wenn es einfach nicht gelingt, überfällige ökologische Massnahmen zu ergreifen, weil sie von einer populistischen Politik von einem Wahltermin zum nächsten verschleppt werden, könnte es schon sinnvoll sein, sich über alternative politische Konzepte Gedanken zu machen, um das Leben auf Erden zu retten.

Aber solch prinzipielle Überlegungen sollten politisch engagierte Tierrechtler nicht allzusehr beschäftigen oder gar beunruhigen. Erstens wäre es völlig unrealistisch, sich gleichzeitig mit zwei so schwierigen Aufgaben wie der Etablierung von Tierrechten und der Schaffung neuer politischer Systeme zu befassen. Und zweitens bedient man sich vernünftigerweise erst einmal vorhandener Instrumentarien, bevor man sich Gedanken über neue macht.

Wenden wir uns also ruhig der bestehenden demokratischen Realität zu. Beschränken wir uns dabei aber zunächst auf den menschlichen Bereich und klammern die Tiere noch aus. Was sind denn, abstrakt und prinzipiell, die Probleme der Demokratie? Erstens wohl, dass manche noch keine Stimme haben oder keine Stimme mehr haben und somit vom demokratischen Willensbildungsprozess ausgeschlossen sind – etwa Kinder oder Entmündigte. Und zweitens, dass manche trotz Stimme ihr berechtigtes Anliegen nicht durchsetzen können, weil sie schlicht überstimmt werden. 

Ziehen wir jetzt Tiere mit in Betracht, erkennen wir das Grundproblem von Demokratie und Tierrechten: Tiere haben nie eine Stimme, sie sind immer von Entscheidungen ausgeschlossen und haben somit grundsätzlich keine Chance, ihre Interessen durchzusetzen.

Unser Stimmrecht für Tiere

Tiere haben quasi das Pech, in eine Welt verschlagen worden zu sein, deren Aktivitäten sie zwar extrem betreffen, deren Entscheidungen sie aber nicht beeinflussen können. In Wirklichkeit ist dieses Bild natürlich nicht nur schief, sondern falsch: Die Tiere waren vor uns da, wir stammen von ihnen ab und wir haben sie ihres Lebensraums beraubt.

Tiere haben also keine Stimme und das nicht nur zu bestimmten Zeiten oder unter bestimmten Umständen, sondern grundsätzlich. Und damit sind wir auch schon bei der notwendigen praktischen Konsequenz für politisch agierende Tierrechtler: Weil es für menschliche Anliegen auch prinzipiell menschliche Stimmen gibt, während Tiere immer auf ihre Vertretung durch uns angewiesen sind, müssen wir im Zweifels- oder Konfliktfall unsere Stimme den Tieren geben, das heisst: So wählen, dass den Tieren am meisten gedient ist.

Spätestens an dieser Stelle wird jemand einwenden: «Aber das geht doch alles von völlig falschen Voraussetzungen aus, nämlich davon, dass menschliche und tierliche Anliegen gleich wichtig sind und das ist ja wohl nicht der Fall. Die Menschen kommen doch zuerst!» Exakt dieser Logik bedienen sich auch Rassisten und Sexisten: «Wir sind doch wichtiger!» Aber wer sich wirklich um Menschen kümmert, der kümmert sich um alle Menschen. Und wer sich um alle Menschen kümmert, dem sind auch die Tiere ein Anliegen – so wie jenen, die sich wirklich um Tiere kümmern, auch die Menschen ein Anliegen sind. Ethik ist unteilbar. Menschenrechte und Tierrechte bilden eine untrennbare Einheit.

Was ist wichtiger: Mensch oder Tier?

«Die Menschen kommen zuerst!» ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein billiger Vorwand dafür, um weder für Tiere noch für Menschen etwas zu tun. Menschenrechte und Tierrechte gehören zusammen. Man kann nicht für die Befreiung der Sklaven oder für die Emanzipation der Frauen oder für die Rechte von Kindern oder für die Rechte von Tieren sein. Vielmehr muss man einfach erkennen, dass die Interessen von Wesen nicht deshalb moralisch weniger zählen dürfen, weil sie zu einer anderen biologischen Spezies oder Kategorie gehören. Das heisst natürlich nicht, dass in der Praxis – wie im gesamten Bereich gemeinnütziger Tätigkeiten – eine Aufgabenteilung nicht sinnvoll und notwendig wäre. Und genau deshalb ist es auch unerlässlich, dass sich einige Menschen auf das Wohl, den Schutz und die Rechte von Tieren konzentrieren – so wie sich andere um alte, kranke oder behinderte Menschen kümmern. Jemandem aufgrund seines spezifischen Engagements Einseitigkeit vorzuwerfen, ist genauso absurd, wie einer Museumsgesellschaft vorzuwerfen, sich nur um alte Kunst und nicht auch um alte Menschen zu kümmern (Gotthard M. Teutsch).

Es gibt viele Bereiche, in denen sich Menschen engagieren müssen. Tierrechte sind einer davon. Und zum konsequenten Engagement für Tiere gehört es auch, seine Stimme so einzusetzen, dass damit den Tieren am meisten gedient wird, also jene Partei zu wählen, die voraussichtlich die Interessen der Tiere am besten vertritt.

Helmut F. Kaplan

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