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Sind Milchalternativen gesund?

Milchalternativen erleben einen Boom. Trinkmilch der Kuh wird immer weniger konsumiert. Dies erfreut nicht alle. Deshalb gibt es an den Milchalternativen immer mehr Kritik. Ist diese begründet?

Berner Fachhochschule BFH, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL hat eine Untersuchung zu Milchalternativen im Magazin "Advances in Dairy Research" publiziert. Am 20.3.2018 hat die Konsumentensendung Espresso des Radio SRF1 einen Sendungsbeitrag dazu erstellt. Dieser Beitrag bezog sich jedoch nicht auf die Originalstudie (die nicht verlinkt wurde), sondern auf einen Artikel von foodaktuell. Stellungnahme zu den Aussagen in der Espressosendung und im foodaktuell:

In dieser Untersuchung wurden die Nährwerte mit den Ernährungsempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) verglichen. Als "gesund" wurde definiert:
Getränke mit möglichst hohem Gehalt an Proteinen und Kalzium und möglichst wenig zugesetztem Salz und Zucker. Ist diese Definition korrekt?

  • Proteingehalt: Entgegen der Werbung für tierische Produkte ist ein Proteinmangel in der Schweiz kaum verbreitet und Getränke liefern nur einen sehr kleinen Teil des lebensnotwendigen Proteins. Der Gehalt an Protein in einem Getränk trägt also kaum etwas zu einer gesunden Ernährung bei. Eher im Gegenteil: Viele konsumieren heute eher zuviel Protein, was zu diversen gesundheitlichen Nachteilen führen kann, da der menschliche Organismus (im Gegensatz zu Fleischfressen wie z.B. Löwen) keine effektive Methode zur Ausscheidung von überflüssigem Protein verfügt.
  • Kalziumgehalt: Der Kalziumstoffwechsel ist sehr komplex. Viele Faktoren spielen hier eine Rolle. Z.B. ist das Verhältnis von Kalzium zu Phosphor in der Kuhmilch eher ungeeignet um das Kalzium sehr gut aufnehmen zu können. Der Phosphorgehalt in pflanzlichen Produkten ist meist wesentlich geringen, was die Aufnahme fördert. Zudem fördert ein hoher Konsum von tierischem Eiweiss die Kalziumausscheidung, deshalb schneiden auch hier pflanzliche Produkte (trotz geringerem Kalziumgehalt) eher besser ab. Es erstaunt deshalb nicht, dass diverse Studien längst belegen, dass ein hoher Kuhmilchkonsum nicht vor Osteoporose und Knochenbrüchen schützt. Selbst die Universität Zürich kam in einer Untersuchung an 190'000 Frauen zu diesem Resultat: "Ein Zusammenhang von Milchkonsum mit Hüftknochenbrüchen konnte nicht beobachtet werden, gleichgültig wie viel Milch die Frauen täglich zu sich nahmen."1
  • Zuckergehalt: Die meisten heute konsumierten Milchprodukte enthalten Salz oder Zucker. Die "reine" Trinkmilch hat gegenüber den gesüssten Milchmischgetränken einen laufend sinkenden Marktanteil. Auch pflanzliche Drinks gibt es mit und ohne Zucker- bzw. Salzzusatz. Wenn man einen ehrlichen Vergleich machen würde, müsste man also Gleiches miteinander vergleichen und nicht die ungesüsste Kuhmilch mit gesüsster pflanzlicher Milch. Hinzu kommt, dass jede Kuhmilch bereits (Milch-)Zucker enthält. Der Zuckergehalt von Soja-, Kokos- und Mandel-Drinks ist deshalb sogar wesentlich kleiner als von Kuhmilch. Mandelmilch enhält sogar 3x weniger Zucker. Dieser Teil der Studienresultate wurden sowohl im Espressobeitrag als auch im foodaktuell unterschlagen.
  • Salzgehalt: Im Bericht wurde das zugesetzte Salz der pflanzlichen Drinks kritisiert. Gemäss Studie gehört jedoch die Kuhmilch zu den Produkten mit dem höchsten Salzgehalt, da Kuhmilch natürlicherweise schon relativ viel Salz enthält. Der Salzgehalt der pflanzlichen Drinks wurde also teilweise nur auf das Niveau von Kuhmilch angehoben.

Salzgehalt pro 2 dl gemäss Studie:

Kuhmilch:0,20 g
Sojadrink:0,21 g
Haferdrink:0,22 g
Kokosdrink:0,06 g
Reisdrink:0,14 g
Mandeldrink:0,12 g​​​

Neben diesen willkürlich herausgesuchten Nährstoffen, wurden alle Stoffe, bei der die Kuhmilch schlecht abschneidet, in der Studie ignoriert. Dazu gehören z.B.:

  • Milchzucker (Laktose): Praktisch jede fünfte Person in der Schweiz ist laktoseintolerant. Diese Personen haben Probleme mit der Verdauung des Milchzuckers. Sie bekommen davon Blähungen oder Durchfall. Diese Zuckerart ist ausschliesslich in tierischer Milch enthalten und kommt bei allen pflanzlichen Produkten nie vor.
  • Tierische Fette: Natürliche Kuhmilch hat für ein Getränk einen sehr hohen Fettgehalt. Kaum ein anderes Getränk hat einen so hohen Fettgehalt wie die Kuhmilch. Ausserdem enthalten ausschliesslich tierische Produkte Fette in Form von Cholesterin.
  • Faserstoffe: Aus gesundheitlicher Sicht sind Faserstoffe sehr wertvoll. Kuhmilch enthält, wie alle tierischen Produkte, überhaupt keine davon.

Konkrete Aussagen des Berichtes über die Studie (zitiert aus foodaktuell):

  1. Alle Milchalternativen weisen einen tieferen Gehalt an gesättigten Fettsäuren und, ausser bei den Quinoa-basierten Getränken, einen leicht tieferen Energiewert auf.
    Für unvoreingenommene Betrachter muss diese Aussage als positiv für Milchalternativen gelten: Ein geringer Fettgehalt ist meist erwünscht und auch Energie nehmen wir in der Schweiz über unsere Nahrung eher zu viel als zu wenig auf. Hinzu kommt, dass gerade die gesättigen Fettsäuren in zu hohem Masse konsumiert werden und hauptsächlich in tierischen Produkten vorkommen.
  2. Kuhmilchprotein enthält 3,1% Methionin. Wird Kuhmilchprotein durch Sojaprotein oder Mandelprotein ersetzt, dann reduziert sich der Methioningehalt auf 1,48% oder gar 0,39%.
    Es ist tatsächlich wichtig, dass man über die Ernährung alle essentiellen Aminosäuren zu sich nimmt. Doch entgegen früherer Annahmen, muss dies nicht in derselben Mahlzeit (und schon gar nicht im selben Getränk) geschehen. Da sich wohl kaum jemand ausschliesslich von pflanzlicher Milch ernährt, kann der kleinere Methioningehalt sehr einfach durch andere Produkte ausgeglichen werden. Viele pflanzliche Produkte haben einen hohen Methioningehalt (Nüsse, Reis, Samen ...).
  3. Eine Portion Kuhmilch trägt zur Deckung von 24%, 16% oder 20% der empfohlenen Tagesdosis für Erwachsene, Kinder bzw. Kleinkinder bei. Soja-, Mandel- und Quinoa-basierte Milchalternativen dagegen decken den empfohlenen Tagesbedarf nur zu rund 2%.
    Wie oben erwähnt, ist der Kalziumgehalt eines Produktes nur ein Faktor unter vielen, der nicht alleine entscheidend ist, ob jemand durch Kalziummangel Osteoporose bekommt oder nicht. Nachweislich schützt ein hoher Kuhmilchkonsum nicht vor Osteoporose. Tierische Produkte stehen sogar in Verdacht zu erhöhter Kalziumauasscheidung im Körper beizutragen und somit Osteoporose zu fördern, als zu verhindern. Wer seinen Kalziumbedarf durch ein Getränk decken möchte, kann dies jedoch durchaus auch mit kalziumangereicherten pflanzlichen Drinks tun.
  4. Aromatisierte Milchalternativen enthalten zwei bis acht Mal so viel Zucker wie die nicht-aromatisierte Variante.
    Dies ist korrekt. Glücklicherweise gibt es nicht-aromatisierte Kuhmilch und nicht-armatisierte Milchalternativen. So kann jeder selbst das Produkt wählen, das ihm zusagt. Dies hat jedoch nichts mit dem Vergleich von Milchalternativen mit Kuhmilch zu tun. Die meisten Kuhmilchprodukte sind auch "aromatiesiert". Ausserdem enthält Kuhmilch schon von Natur aus viel Zucker (Laktose).
  5. Die Ergebnisse zeigen, dass Kuhmilch einen höheren Gehalt an Protein und an EA besitzt als die meisten in dieser Studie analysierten pflanzenbasierten Getränke.
    Diese Aussage ist korrekt. Jedoch ist, wie bereits erwähnt, ein Proteinmangel in der Schweiz (bei ausreichender, abwechslungsreicher Ernährung) kein gesundheitliches Problem – im Gegensatz zum Proteinüberschuss.
  6. Kuhmilch besitzt rund sechs Mal mehr Kalzium als die in dieser Studie untersuchten pflanzlichen Getränke.
    Da dies jedoch keine gesundheitliche Vorteile mit sich bringt (siehe oben erwähnte Studie der Universität Zürich) ist dieser höhere Gehalt wertlos. Eine genügende Kalziumversorgung ist durch rein pflanzliche Ernährung sehr gut zu erreichen. Wer dennoch darauf achten möchte, kann mit Kalzium angereicherte Produkte vorziehen. Diese haben denselben Kalziumgehalt wie Kuhmilch.
  7. Sehr vielen der untersuchten pflanzenbasierten Getränke wurden Salz und Zucker zugesetzt. 
    Dies gilt auch für die Kuhmilchprodukte. Dazu reicht ein blick ins Verkaufsregal eines Supermarktes: Die "reine" Kuhmilch ist eine Minderheit im Angebot der Milchgetränke.
  8. Die Schweizerische Ernährungsstrategie hat zum Ziel, den Zusatz von Salz und Zucker bei der Herstellung von Lebensmitteln zu reduzieren, da er mit der starken Zunahme von nicht-übertragbaren Krankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist.
    Die aufgeführten Zivilisationskrankheiten werden alle durch eine Ernährung mit viel tierischen Produkten bzw. tierischem Fett gefördert. In diesem Zusammenhang, ist also der Konsum der fettreichen tierischen Milch eher abzuraten.

Zusammenfassung: Wie wurde die Kuhmilch in der Studie einseitig dargestellt?

  • Die Fragestellung war so ausgelegt, dass nur Punkte in Betracht gezogen wurden, bei denen absehbar war, dass die Kuhmilch positiver da steht, als die Konkurrenzprodukte.
  • Von der vollständigen Auswertung wurden nur die Punkte von foodaktuell/SRF1 übernommen, bei denen die Kuhmilch positiv da stand. (z.B. zugesetztes Salz und nicht Salzgehalt)
  • Es wurden gesüsste Milchalternativen mit ungesüsster Kuhmilch verglichen.
  • Aus dem falschen Vergleich bezüglich Salz und Zucker wurden die falschen Schlüsse gezogen: Obwohl Kuhmilch(produkte) die genannten Zivilisationskrankheiten durch ihren hohen Fettgehalt fördern, wurde die Aussage so gedreht, als würde dies auf die rein pflanzlichen Milchalternativen zutreffen.
  • Der hohe Fettgehalt der Kuhmilch wurde nicht thematisiert. Im Gegenteil er ist sogar beim "Energiewert" positiv eingeflossen, obwohl er für die Gesundheit eher negative Auswirkungen hat.
  • SRF1 schreibt, dass die Studienautorin von Milchersatzprodukten bei Babies abrät. Verschwiegen wird, dass auch Kuhmilch keinesfalls an Babies gegeben werden sollte. Es bleibt der falsche Eindruck, dass Milchersatzprodukte ungesünder als Kuhmilch seien.

Renato Pichler, Swissveg

  1. H. A. Bischoff-Ferrari et. al., Milk intake and risk of hip fracture in men and women: A meta-analysis of prospective cohort studies, Journal of  Bone and Mineral Research, 14. Okober 2010
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