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Honig: Der Kampf um das süsse Gold

Der Fleiss der Bienen ist sprichwörtlich. Unermüdlich setzen sie ihr Leben für die Königin ein, um sie zu ernähren, zu beschützen und den Fortbestand ihres Volkes zu sichern. Doch der Mensch hat sich ihren Fleiss schon lange zunutze gemacht, denn für ihn sind die Bienen mittlerweile nur noch Mittel zum Zweck. Sie sollen für ihn möglichst viel Honig erzeugen und seine Nutzpflanzen bestäuben.

Ist Honig für VeganerInnen akzeptabel?

Da Honig heute in grossen Mengen produziert wird, entstehen ähnliche Probleme wie bei allen anderen Produkten, die mit Hilfe von Tieren gewonnen werden. Für den Profit werden ökologische und tiereigene Interessen geopfert. Weltweit gibt es rund 30 000 bis 40’000 Bienenarten. Doch nur eine Art erfüllt alle Kriterien für eine kommerzielle Nutzung, die Apis mellifera. Von dieser Honigbiene wurden 20 Unterarten gezüchtet und verbreitet. 

Der Mensch kommt ins Spiel

Wie auch in der Milchwirtschaft, so hat die industrielle Honigproduktion nichts mehr mit der Honiggewinnung zu tun, wie sie unsere Grosseltern noch kannten. Wildbienen sind kaum noch vorhanden, die Mehrheit der ImkerInnen setzt auf die Rasse der Europäischen Honigbiene, weil diese einfacher im Umgang ist. War dazumal die Haltung von 10 Bienenvölkern die Regel, so werden heutzutage auch mal über 30 Völker gehalten, um ein rentables Geschäft zu erzielen. In Deutschland werden von über 80 000 Imkern zirka eine Million Bienenvölker gehalten. Diese decken mit etwa 25 000 Tonnen Honig pro Jahr etwa 20% des heimischen Bedarfs.

Weltweit gehören jedoch die Schweizer zu den grössten Honigschleckern – im Schnitt verzehren sie rund 1,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Mit etwa 3 200 Tonnen Honig pro Jahr deckt die einheimische Produktion etwa ein Drittel des Bedarfs in der Schweiz. Um also mehr Honig zu erhalten, stammt ein Grossteil des Honigs aus dem Ausland. Doch Importhonig ist hochproblematisch. Der Umgang mit den Bienen in industriellen Grossbetrieben ist nicht artgerecht, nicht respektvoll und daher nicht akzeptabel. In den USA halten fünf Prozent der Imker 95 Prozent der Honigbienen. Dass dabei nicht mehr auf einzelne Völker geschweige denn auf einzelne Bienen geachtet wird, ist naheliegend.

Im Film «More Than Honey» wird ein Imker aus den USA vorgestellt, der mit 200 Millionen Bienen eine Mandelfarm betreut. Dabei spielt die Kooperation mit den Bäuerinnen und Bauern eine wichtige Rolle, denn davon profitieren beide Seiten: Der Imker gewinnt den Honig und die Mandelbäume der LandwirtInnen werden gleichzeitig bestäubt. Wenn die Blüte vorbei ist, werden die Bienenvölkerkisten verladen und mit einem Truck zwei Tage nonstop in eine andere Gegend der USA gefahren, wo die Bienen ihre unermüdliche Arbeit fortführen. Die Hitze und der Stress, verursacht durch den langen Transport in Dunkelheit und Lärm, führt dazu, dass bis zu 20% der Bienenvölker während der Reise sterben.

«Die manipulative industrielle Bienenhaltung ist dieselbe wie in der Schweinemast und Grossviehzucht.»
Markus Imhoof, in seinem Film «More than honey»

 

Geschwächte Bienen

Mit durchschnittlich 4,7 Völkern pro Quadratkilometern gehört die Schweiz weltweit zu den Ländern mit den höchsten Bienendichten.1 Was dies für das Ökosystem heisst, ist klar: Die eine Bienenart verdrängt zusehends alle anderen Arten. Daraus folgt eine genetische Verarmung. Die Folgen sind bereits seit längerem sichtbar: Es treten immer häufiger Krankheiten unter Bienenvölkern auf, die sich epidemieartig ausbreiten. Die Krankheitsresistenz der Bienenstämme nimmt immer mehr ab. Besonders eindrücklich bestätigte dies 1997 das Auftauchen von Antibiotika im Importhonig in der Schweiz. Die Schweizer Behörden haben umgehend reagiert: Sie erliessen einfach einen hohen Grenzwert, der es jetzt offiziell erlaubt, dass im Honig auch Antibiotikarückstände vorkommen (siehe: Vegi-Info 2/98, Seite 20). Grundsätzlich ist die Abgabe von Antibiotika auch bei Bienenstämmen EU-weit verboten. Chemische Mittel gegen die gefürchtete Varroa-Milbe werden aber dennoch eingesetzt. Rückstände davon können sich auch im Honig anreichern.

Bienen brauchen ihren Honig selbst

Aus kommerziellen Gründen wird in der konventionellen Honigproduktion den Bienen so viel Honig weggenommen, dass man ihnen Zuckerwasser zufüttern muss, um ihr Überwintern zu ermöglichen. Dies kommt günstiger als auf einen Teil des Honigs zu verzichten, hat jedoch negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bienen.

Bienen werden bei der Honigproduktion verletzt und getötet

Bei der «Honigernte» werden viele Bieneneier, -larven und oft auch ausgewachsene Bienen getötet. Es gibt zwar für dieses Problem bereits einige Lösungsansätze, die allerdings noch kaum Verbreitung gefunden haben. Am schlimmsten ist die «Ernte» bei Honig von wilden Bienenvölkern: In der Regel überlebt eine solche «Ernte» nicht einmal ein Viertel des Bienenvolkes. Die meisten Tierschützer kümmert dies kaum, da Sie keine engere Beziehung zu den Bienen haben. Bienen sind jedoch interessante Wesen mit einem komplexen Sozialverhalten. Sie sind auch in der Lage detaillierte Informationen untereinander auszutauschen (z.B. Ort einer Blumenwiese).

Bienen werden künstlich befruchtet

Um die perfekte Arbeitsbiene zu züchten, befruchten konventionelle Imker die Bienenköniginnen künstlich. Dazu drücken sie auf die männlichen Bienen, um eine Paarungssituation vorzutäuschen und ihnen so ihr Sperma abzunehmen. Nach dem Absamen sterben die Tiere und die Imker spritzen das Sperma von bis zu zehn Drohnen in eine weibliche Biene.2

Das komplexe Sozialleben der Honigbiene

Honigbienen verfügen über einen ausgeprägten sozialen Gemeinschaftssinn – mehr als alle anderen Bienenarten. Ihr ganzer Lebensinhalt dreht sich um den Fortbestand der Königin. Stirbt die Königin, muss sofort eine Nachfolgerin herangezogen werden.

Die Königin

Der Mensch greift für seine Zwecke künstlich in diesen Vorgang ein, indem er Bienen ohne Königin hält. Die Bienen sind in Aufruhr und kümmern sich einzig und allein darum, eine neue Königin zu schaffen. In ihrer Verzweiflung werden alle von den ImkerInnen zur Verfügung gestellten Larven (ca. 50 Stück) mit einem speziellen in Kopfdrüsen erzeugten Futtersaft von den Bienen versorgt – dem Gelée Royale. Da es nur eine Königin geben kann, wird die erste Königin, die schlüpft, alle noch nicht geschlüpften Konkurrentinnen töten. Um dies zu verhindern, muss der Imker genau im richtigen Zeitpunkt eingreifen und die Königin gleich nach dem Schlüpfen, zusammen mit ein paar anderen Bienen – ihrem Hofstaat – separieren. Auf diese Weise entstehen neue Bienenvölker für die industrielle Honigproduktion und als Bestäuber. Mit der normalen Paketpost werden die Königinnen in die ganze Welt versandt. Das Ziel dabei ist, möglichst angepasste und sanftmütige Königinnen zu züchten, um die Stechgefahr für die ImkerInnen zu verringern.

Das Mysterium Bienensterben

Den einen Grund für das Bienensterben gibt es nicht. Als Hauptverantwortlicher wird oftmals der Einsatz von Pestiziden und Fungiziden genannt. Dies hat sicher seine Berechtigung, denn durch den Einsatz von Chemie nehmen die Bienen diese durch die Blüten auf und geben sie auch an ihre Jungen weiter. Diese sterben dann entweder ab oder kommen verkrüppelt zur Welt.
Da weltweit nur noch eine Art von Honigbienen in der industriellen Produktion verwendet wird, kann sich das Immunsystem nicht an die lokalen Umstände anpassen und Parasiten wie die Varroamilbe können sich rasend schnell in allen genetisch identischen Völkern ausbreiten. In ganz Nordamerika und China gibt es kaum ein Volk von Honigbienen, das noch ohne die Beigabe von Antibiotika überleben könnte, da sich bakterielle Brutkrankheiten schon so stark ausgebreitet haben. Betrachtet man das Mysterium des Bienensterbens unter dem Aspekt der industriellen Massenproduktion, so ist das, was momentan geschieht, nicht weiter erstaunlich. Im Gegensatz zu Schweinen, Hühnern und Rindern, die von jeglicher Natur abgeschottet in dunklen Hallen gehalten werden können, sind die Menschen bei der Honigproduktion auf die Zusammenarbeit mit der Natur angewiesen. Das Bienensterben ist ein eindeutiges Aufbäumen der Umwelt gegen diese widernatürliche Behandlung.

«Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus.» 
Albert Einstein
 

Ein Leben ohne Bienen in China

Viele Früchte und Nüsse wachsen nur, weil sie dank der Bienen bestäubt wurden. Der Mensch versucht schon lange, diese Bestäubung so effizient und genau von der Natur zu kopieren, doch bisher ohne Erfolg. Was Albert Einstein als Schreckensszenario für die ganze Welt verkündet hat, ist in China bereits Realität geworden. Unter dem Regime von Mao wurde seinerzeit angeordnet, alle Spatzen zu töten, weil diese den Weizen, der für Futtermittel bestimmt war, auffrassen. Damals wurden Millionen der Vögel getötet. In der Folge kam es aber zu einer Insektenplage, da diese ja keine natürlichen Feinde mehr hatten. Dem ging man mit Pestiziden zu Leibe, mit der Folge, dass es kaum noch Insekten und schon gar keine Bienen mehr in Teilen Chinas gibt. Einige LandwirtInnen haben nun begonnen, selbst Hand anzulegen und mit kleinen Pinseln jede einzelne Blüte der Apfelfarm zu bestäuben.

Wie gesund ist Honig?

Honig wird vor allem in der Vollwertküche über alles gelobt, obwohl auch er hauptsächlich aus Kohlenhydraten («Kalorienbombe») besteht und nur einen geringen Anteil an Vitaminen, Mineralstoffen und Enzymen enthält. Obwohl der Honig zu fast 80% aus Zucker besteht und der Rest hauptsächlich Wasser ist, hat er gegenüber dem Industriezucker natürlich einige gesundheitliche Vorteile, aber auch viele gemeinsame Nachteile. Zum Beispiel greift der Honig die Zähne sogar noch mehr an als der Haushaltszucker. Da der Haushaltszucker jedoch überhaupt keine Mineralstoffe, Enzyme und Vitamine enthält, ist in dieser Hinsicht der (naturbelassene, nicht erhitzte) Honig überlegen. Zum Backen und Kochen ist er somit ungeeignet. Für Kinder unter 12 Monaten wird grundsätzlich vom Honigkonsum abgeraten, weil Spuren einer Bakterie namens Clostridium Botulinum enthalten sein können. Diese verursacht bei Babys und ganz selten auch bei Erwachsenen eine seltene Form von Lebensmittelvergiftung (Botulismus).

Ohne Bienen kein Honig

Die Frage ist nicht, ob es eine Welt ohne Bienen gibt, denn es wurden bereits neue Bienenarten entdeckt, die robuster und widerstandsfähiger sind als die überzüchtete Europäische Honigbiene. Doch das Sterben der Bienen möchte den Menschen etwas Wichtiges sagen: «Hört auf damit, aus Gleichgültigkeit und Gewinnstreben weiterhin Tiere auf Kosten der Umwelt auszubeuten.» Mit der Entscheidung, auf Honig und auf Produkte, die Honig enthalten, zu verzichten, kann jeder seinen Teil dazu beitragen.

Ohne Bienen keine Bestäubung?

Entgegen der öffentlichen Meinung, sind die Honigbienen nicht die einzigen Bestäuberinnen. In einer englischen Untersuchung ermittelte man, dass die Honigbiene nur gerade für ein Drittel der Bestäubungsleistung zuständig waren. Es ist deshalb sehr wichtig, nicht nur das Leben der (Honig-)Biene zu schützen, sondern auch der Wildbienen, Hummeln und der vielen anderen bestäubenden Insekten.3

Problematisch ist die einseitige Förderung der Honigbiene auch, weil diese andere BestäuberInnen verdrängen. Fällt die genetisch verarmte Honigbiene aus, wird dadurch das Ökosystem noch viel stärker gefährdet, da dann all die anderen Bestäuber bereits verdrängt wurden. Biologen warnen deshalb bereits vor der schwindenden Biodiversität durch die einseitige Förderung der Honigbiene.4

  1. Agrarforschung Schweiz, «Imkerei in der Schweiz: Fakten und Bedeutung», 2005
  2. Pro Sieben, Galileo-Sendung vom 31. Juli 2002, «Künstliche Befruchtung bei Bienen»
  3. FiBL-Faktenblatt: Wildbienen und Bestäubung, Direktlink zur Studie aus den UK: Pollination services in the UK: How important are honeybees?
  4. Deutschlandfunk: Konkurrenz der Bestäuber: Honigbienen können anderen Arten das Leben schwer machen, 5.2.2018
Weitere Infos

 

Englische Artikel über Honig/Bienen:

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