Fleischalternativen werden häufig als ungesund abgestempelt, da der Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel mit einem erhöhten Risiko für ernährungsbedingte Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Ein neuer Leitfaden1 der Physicians Association for Nutrition (PAN International) und dem Good Food Institute Europe (GFI Europe) zeigt, weshalb eine differenzierte Betrachtung notwendig ist.
Was sind ultrahochverarbeitete Lebensmittel (UPF)?
Ultrahochverarbeitete Produkte (UPF) sind Lebensmittel, die industriell hergestellt werden und durch den Einsatz zahlreicher Zutaten sowie komplexer Verarbeitungsschritte gekennzeichnet sind. Dazu zählen beispielsweise Wurstwaren und Süssgetränke – aber auch manche pflanzliche Fleischalternativen. Die Einordnung erfolgt anhand der sogenannten Nova-Klassifikation, die den Verarbeitungsgrad bewertet, dabei jedoch die Nährstoffqualität ausser Acht lässt. Daher stösst die Nova-Klassifikation bei Fachleuten auf Kritik, und es wird eine Überarbeitung der Bewertungsmethodik gefordert. Sie ist auch nicht die einzige Möglichkeit, um Lebensmittel zu beurteilen. Andere Ansätze berücksichtigen beispielsweise den Nährstoffgehalt oder die Zutatenliste, um eine umfassendere Einschätzung der Lebensmittelqualität zu ermöglichen.
Die Nova-Klassifikation gliedert Lebensmittel in vier Gruppen:2
Gruppe 1: «Unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel» – z.B. Vollkorngetreide, Früchte, Gemüse, Linsen, Nüsse & Samen, getrocknete Früchte, frischer oder pasteurisierter Fruchtsaft, getrocknete oder frische Pasta, Kaffee.
Gruppe 2: «Verarbeitete kulinarische Zutaten» – z.B. Salz, Zucker, Öle.
Gruppe 3: «Verarbeitete Lebensmittel» – z.B. konservierte Hülsenfrüchte, gebackenes Brot, gesalzene Nüsse, Tomatenextrakte mit Salz und/oder Zucker, Speck, Rindfleisch-Jerky, konservierter Fisch.
Gruppe 4: «Hochverarbeitete Lebensmittel» – dazu zählen Fertigprodukte wie Chips, Süssigkeiten, Süssgetränke sowie viele pflanzliche Fleischalternativen.
Was unterscheidet Fleischalternativen von anderen verarbeiteten Produkten?
Viele pflanzliche Fleischalternativen wie vegane Burger, Würste oder Steaks gehören zu den hochverarbeiteten Lebensmitteln. Die AutorInnen des Leitfadens betonen jedoch die deutlichen Unterschiede in ihrer Zusammensetzung und Nährstoffqualität: Sie liefern Protein und Nahrungsfasern, enthalten aber wenig gesättigte Fettsäuren und Kalorien. Ganz im Gegenteil zu anderen hochverarbeiteten Lebensmitteln, die meist kalorienreich bei gleichzeitig geringem Nährstoffgehalt sind und grosse Mengen an gesättigten Fettsäuren, Salz und Zucker liefern. Dies hat Konsequenzen für die Gesundheit: In zahlreiche Beobachtungstudien wurde ein Zusammenhang zwischen einem hohem Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel und einem erhöhten Risiko für ernährungsbedingte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Übergewicht beobachtet. Von den hochverarbeiteten Lebensmittel sind es insbesondere verarbeitete Fleischprodukte die am stärksten mit einem erhöhten Krankheitsrisiko assoziiert werden. Genau deshalb ist es wichtig, die Debatte um hochverarbeitete Lebensmittel differenziert zu führen. Denn auch wenn pflanzliche Fleischersatzprodukte ebenfalls zu dieser Gruppe zählen, zeigen Studien, dass der Austausch von verarbeitetem Fleisch durch vegane Fleischalternativen einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben kann: Sie können den Cholesterinspiegel verbessern, zu einem moderatem Gewichtsverlust beitragen und die Qualität der Ernährung steigern, da sie unter anderem gesundheitsfördernde Nahrungsfasern enthalten. Die Produkte sind somit insbesondere für Menschen, die nicht auf ein fleischähnliches Genusserlebnis verzichten möchten, eine gesündere Wahl als das tierische Pendant.
Tipps beim Einkauf
Auch wenn Fleischalternativen in der Regel über vorteilhafte Nährwertprofile verfügen, gibt zwischen den einzelnen Produkten grosse Unterschiede. Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste. Wer besonders gesunde Alternativprodukte möchte, kann folgendes berücksichtigen:
- Proteingehalt: ≥ 10 g / 100 g
- Fettgehalt: ≤ 10 g / 100 g
- Salzgehalt: ≤ 1 g / 100 g
Fazit: Mehr als nur der Verarbeitungsgrad zählt
Pflanzliche Fleischalternativen sind gesünder als verarbeitete Fleischprodukte und werden in der Debatte um hochverarbeitete Lebensmittel oft zu Unrecht pauschal abgewertet. Bei sorgfältiger Auswahl können sie eine sinnvolle Ergänzung einer ausgewogenen Ernährung sein. Die AutorInnen des Leitfadens betonen, dass Lebensmittelverarbeitung nicht grundsätzlich negativ zu bewerten sei. Bestimmte Zubereitungsmethoden können sogar die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen verbessern. Wichtig ist deshalb eine ausgewogene Betrachtung: Bei Ernährungsempfehlungen sollten sowohl der Verarbeitungsgrad als auch die Nährwertzusammensetzung berücksichtigt werden.
Während die wissenschaftliche Datenlage bezüglich des vorteilhaften Nährstoffprofils von veganen Fleischalternativen eindeutig ist, gibt es dennoch noch offene Fragen bezüglich der Wirkungsweise von anderen hochverarbeiteten Zutaten auf den menschlichen Körper. So argumentieren manche Forschende, dass nicht nur hohe Gehalte an Kalorien, Salz oder Zucker schädlich sei – sondern die hohe Verarbeitung an sich. Diskutiert wird etwa der Einfluss auf das Darmmikrobiom sowie Auswirkungen auf das Sättigungsgefühl. Doch insgesamt gilt: Vegane Fleischalternativen können eine wertvolle Ergänzung einer ausgewogenen pflanzliche Ernährung sein. Davon können insbesondere FlexitarierInnen profitieren, da sie durch den bewussten Ersatz von Fleisch durch hochwertige pflanzliche Alternativen eine gesündere Wahl treffen können.
1 Williams, A., Tummers, J., Alessandrini, R., Good Food Institute Europe & Physicians Association for Nutrition. (o. D.). Plant-Based Meat and Ultra-Processed Foods: What Healthcare Professionals Need to Know.
2 EduChange, NUPENS & Center For Epidemiological Studies in Health And Nutrition, S. O. P. H., University Of Sao Paulo. (2018). Food, Nutrition & Fitness I: The Digestion Journey Begins with Food Choices. In NOVA Food Classification System. https://ecuphysicians.ecu.edu/wp-content/pv-uploads/sites/78/2021/07/NOVA-Classification-Reference-Sheet.pdf