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Judentum und Vegetarismus

Grundlagen des Judentums 

Das Judentum ist eine Religion des Volkes Israel1 sowie die Bezeichnung der religiösen und ethnischen Gruppen, die diesem Volk angehören. Das Judentum ist die Mutterreligion des Christentums und des Islams und noch die älteste bestehende monotheistische Religion. Das Judentum ist, an der Anzahl seiner Anhänger gemessen, die kleinste Weltreligion. Etwa 17 Millionen Menschen bekennen sich zum jüdischen Glauben, davon leben allein in den USA etwa 7 Millionen. In der Schweiz sind es ca. 18000. Die jüdische Tradition erhebt den Anspruch, dass der einzig wahre Gott und Schöpfer der Welt Abraham und dessen Nachkommenschaft dazu auserwählt hat, den Glauben an den einen Gott in der Welt zu bekennen und den offenbarten Willen Gottes vollkommen zu verwirklichen. 
Um den Glauben zu behüten, entstand in den Jahren eine extreme religiöse und soziale Abgrenzung von der Umwelt, die durch zahlreiche Vorschriften, Regeln und Bräuche wie Bekleidung, Speisevorschriften und Sabbatfeier garantiert werden soll.

Vegetarismus im Judentum 

Im modernen orthodoxen Judentum wird die vegetarische Ernährung generell nicht als biblischer Grundsatz gelehrt. Es ist jedoch unbestritten, dass in der Thora (auch als das «alte Testament» bekannt) und im Talmud die ursprüngliche Nahrung in der jungen und unversehrten Schöpfung wie auch die Nahrung im zukünftigen messianischen Zeitalter als vegetarisch beschrieben wird. 
So steht in der Genesis 1.29: 
Und Gott sprach: «Siehe, ich gebe euch alles Kraut, das Samen trägt; auf der ganzen Erde, und alle Bäume, an denen samenhaltige Früchte sind; das soll eure Speise sein.» 
Der Talmud pflichtet dieser ursprünglichen Ernährungsform bei, indem es heisst: «Adam war es nicht gestattet, sich von Fleisch zu ernähren.»(Sanhedrin 59b) 
Auch für die Tiere sah Gott die vegetarische Ernährungsform als geeignet an: 
«Aber allen Tieren der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was sich regt auf der Erde, was Lebensodem in sich hat, gebe ich Gras und Kraut zur Nahrung.» (Genesis 1.30) 

In der Befolgung dieser Anordnung lebte das Volk Israel zehn Generationen lang vegetarisch – von Adam bis Noah. Doch zu Zeiten Noahs begann ein erheblicher Niederschlag der Moral und der Fleischkonsum breitete sich aus. Es gab Tieropfer (Genesis 4.4), Tierhäute dienten als Kleidung (Genesis 3.21) und die Menschen begannen, sich gegenseitig umzubringen (Genesis 4.8-23). 
Die darauf folgende Sintflut lässt ein Bild der totalen Zerstörung hinter sich. In dieser Zeit erlaubte Gott, als Zugeständnis an die Zügellosigkeit und Verderbtheit seines Volkes, den Konsum von Fleisch. 
«Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das Kraut, das grüne, gebe ich euch alles.» (Genesis 9.3) 
Beim Propheten Jesaja mahnt Gott in diesem Zusammenhang: «Was soll ich mit euren vielen Schlachtopfern? Die Widder, die ihr als Opfer verbrennt, und das Fett eurer Rinder habe ich satt; das Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke ist mir zuwider …Wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr auch noch soviel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut.» (Jes. 1.11 und 1.15) 
Nach zwei missglückten Versuchen, dem Volk Israel eine fleischlose Lebensweise vorzuschreiben, war Gott schliesslich geneigt, den Fleischverzehr zu dulden, allerdings mit erheblichen Auflagen und Einschränkungen. So ist es in den jüdischen Schriften strikt untersagt, «Fleisch mit Blut» zu essen. «Nur Fleisch, das seine Seele – sein Blut – noch in sich hat, dürft ihr nicht essen.» (Genesis 9.4)2 

Praktische Anwendung

Anstatt sich jedoch vegetarisch zu ernähren, führten jüdische Glaubenslehrer komplexe Speisegesetze durch (= Kaschrut) sowie Reinheitsregeln und Tötungsrituale ein, um «koscheres» Fleisch zu bekommen. Doch das Verbot, Fleisch mit Blut zu konsumieren, könnte man auch mit dem Verbot gleichsetzen, überhaupt Fleisch zu konsumieren. Denn beim Tötungsritual (= Schächten) der Juden wird das flüssige Blut zwar aus den Arterien beseitigt, es verbleibt aber in den Kapillaren, den kleinsten Blutgefässen, in verfestigter Form. So ist es nicht möglich, Fleisch ohne Blut zu essen. 
Im Talmud wird direkt darauf hingewiesen, dass der Verzehr von Fleisch von einer negativen Bedeutung sei: 
«Die Torah erteilt uns eine Lektion in moralischem Verhalten, der Mensch soll kein Fleisch essen, ohne dass er ein besonderes Verlangen danach hat … er soll es nur gelegentlich und selten essen.» (Chulin 84a) 
Der bekannte jüdische Gelehrte und Professor für Mathematik Richard H. Schwartz argumentiert: «Kann eine Religion, die bestimmt, dass Ochs und Esel nicht zusammen eingesperrt werden dürfen (Dtn. 22.10), dass einem Ochsen beim Getreidedreschen kein Maulkorb angelegt werden darf (Dtn. 25.4) und dass Tiere auf offenen Feldern frei grasen sollen, um sich der Schönheit der Schöpfung am Sabbath zu erfreuen (Rashis Kommentar zu Ex. 23.12) – kann eine solche Religion die weit verbreiteten Verstösse gegen tsa-ar ba-ale chayim, das Gebot, keiner lebenden Kreatur Schmerzen zuzufügen, ignorieren?» (in: Judaism and Vegetarianism) 

Daniel Meyer

  1. Nicht zu verwechseln mit den Einwohnern des Staates Israel, welche nicht unbedingt zum Volke Israel gehören müssen.
  2. Weitere Passagen aus dem Talmud, die gegen den Fleischkonsum sprechen:

    "Der Jude, der nicht barmherzig ist gegen Alles, was Gott geschaffen; der ist kein echter Jude. (Beza 32b.) Wer sich seiner Mitgeschöpfe erbarmt, des erbarmt man sich vom Himmel, wer aber sich seiner Mitgeschöpfe nicht erbarmt, der hat auf kein Erbarmen von oben zu rechnen. (Schabbat 151b.)"

    "Von dem gefeiertsten Meister der Lehre, dem Verfasser der Mischna, erzählt der Talmud, ein Kalb, das zum Schlachten geführt werden sollte, flüchtete sich einst zu ihm und barg den Kopf weinend in seinen Mantel. »Geh'«, sagte er, »dazu bist du geschaffen«. Darauf sagte man oben: weil er kein Erbarmen gezeigt, seien lange anhaltende Schmerzen über ihn verhängt. Eines Tages wollte seine Magd junge Wiesel, die sie im Hause zusammengefegt hatte, ertränken. »Lasst sie«, sagte er, »sein Erbarmen erstreckt sich auf alle seine Werke«, heißt es von Gott. Darauf sagte man oben, weil er Erbarmen gezeigt, werde ihm Erbarmen erwiesen, und die Schmerzen hörten auf. (B. Mezia 85a.)"

Weitere Infos
  • Die Erde bewirtet euch festlich. Vegetarismus und die Religionen der Welt, Steven Rosen, ISBN 3-89427-218-X
  • Vegetarian Judaism: A Guide for Everyone (englisch), Roberta Kalechofsky und David Rosen, ISBN 0-916288-45-5
  • Judaism and Vegetarianism (englisch), Richard H. Schwartz, ISBN 1-930051-24-7
  • Internetseite von Richard H. Schwartz: www.jewishveg.com
  • Warum in Israel die meisten Veganer der Welt leben, FAZ-Artikel, 30.9.2015
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