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Lederalternativen

Ob Schuhe, Taschen, Autositze oder Sofas: Leder ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Die grausamen und umweltschädigenden Praktiken der Lederindustrie werden dabei ausgeblendet. Wie Swissveg bereits 2018 in einer Kampagne aufzeigte, ist Leder sowohl aus ethischen, ökologischen als auch gesundheitlichen Gründen ein absolutes No-Go. Der rasante Anstieg pflanzlicher Lederalternativen belegt, dass es auch anders geht. In unserem umfassenden Report beleuchten wir die verschiedenen Verfahren und Hersteller. 

Leder ist nichts anderes als Pelz ohne Fell. Entgegen der landläufigen Meinung, dass es sich dabei um ein Abfallprodukt der Fleischherstellung handelt, ist die Lederfabrikation eine milliardenschwere Industrie.1 Bis aus den Tierhäuten Schuhe oder eine hübsche Tasche entstehen, sind zahlreiche umweltschädliche Schritte notwendig. Beispielsweise würden Tierhäute ohne Behandlung mit starken Umweltgiften wie etwa Chromsalzen verwesen. Leder ist somit alles andere als das von der Lederindustrie angepriesene reine Naturprodukt.2 
Gründe, auf Leder zu verzichten, gibt es somit genug. Die steigende Nachfrage nach Lederalternativen schlägt sich daher auch im Markt nieder: Gemäss dem US-amerikanischen Marktforschungsinstitut «Introspective Market Research» wurde der Markt für plant-based Leder 2023 auf 73,10 Millionen Dollar geschätzt. Bis 2032 soll er gar auf 140,15 Mio. Dollar anwachsen.3 

Abb. 1 Wachstum des veganen Ledermarkts

Der pflanzliche Ledermarkt ist im Umbruch, und die Herstellenden erforschen intensiv unterschiedlichste Alternativen. Konventionelles Kunstleder liegt klar nicht mehr im Trend und wird von umweltfreundlichen, innovativen Materialien abgelöst. Diese lassen sich grob in folgende Kategorien einteilen:

  1. Lederalternativen aus pflanzlichen Nebenprodukten
  2. Pilzleder
  3. Biotechnologische Verfahren
  4. Myzelbasierte Lederalternativen
  5. Leder aus Zellkulturen
  6. Weiteres

 

Abb. 2: Verwendete und erforschte Ausgangsmaterialien für die Herstellung von veganem Leder

 

Die zurzeit gebräuchlichste Alternative zu Tierleder ist Leder aus Polyurethan (PU), umgangssprachlich Kunstleder genannt. Es findet in der Mode-, Möbel- sowie Autobranche Verwendung. Da es aus Plastik hergestellt wird, hat Kunstleder trotz weltweiter Verbreitung bei den Konsumierenden nicht den besten Ruf. Im Gegensatz zur gängigen Annahme verursacht Kunstleder bei der Herstellung jedoch einen geringeren Umwelt-Fussabdruck als Rindsleder.4 Dennoch verfügt es über gewisse Nachteile, da es aus Erdöl besteht, dessen Förderung mit zahlreichen ökologischen Risiken verbunden ist. Nebst konventionellem Kunststoff (PVC/PU) verwenden deshalb immer mehr Produzenten sogenannten Biokunststoff (BIO-PE) bzw. Bioplastik: Kunststoff, dessen Produktion auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Stärke und Zellulose aus Pflanzen wie Mais, Zuckerrüben, Weizen oder Kartoffeln dienen dabei als Ausgangsstoffe.5 Bio-Kunststoffe sind je nach Zusammensetzung biologisch abbaubar. Auch Kunststoffe aus recyceltem PET (rPET) kommen vermehrt zur Anwendung. Diese haben den Vorteil, dass weniger fossile Rohstoffe gebraucht werden. Immer öfter wird auch der in den Weltmeeren schwimmende Plastikabfall (Ocean Plastic) zu Schuhen oder Taschen verarbeitet. 
 

Lederalternativen aus pflanzlichen Nebenprodukten

Mittlerweile gibt es zahlreiche Hersteller, die aus pflanzlichen landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Schalen, Stielen oder Blättern von Früchten sowie weiteren Stoffen Lederalternativen herstellen. Üblicherweise wird nach demselben Prinzip vorgegangen: Fruchtfasern bzw. pflanzliche Rückstände werden zu einem Pulver vermahlen, mit anderen Stoffen (z. B. Polyurethan) vermischt und schlussendlich auf einen zumeist aus Bio- oder recycelter Baumwolle bestehenden Textilträger aufgetragen. Dieser letzte Schritt ist nötig, um eine lederähnliche Haptik und Optik zu erreichen. Das Endprodukt enthält meistens rund einen Drittel Fruchtfasern, der Rest ist Kunststoff und/oder Baumwolle. Das tönt erstmals nach wenig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine noch junge Technologie handelt, die laufend verbessert wird. Es liegt auch im Interesse der Produzenten, einen möglichst hohen Anteil an Abfallprodukten zu verarbeiten. Die meisten Hersteller benützen im Übrigen Bio-Polyurethan, welches im Gegensatz zu konventionellem Polyurethan nicht aus Erdöl, sondern aus pflanzlichen Ölen besteht und somit eine umweltfreundlichere Alternative darstellt.6

 

Pilzleder

Im Gegensatz zu den myzelbasierten Alternativen, bei welchen die Sporen/Zellen für die Lederherstellung verwendet werden, kommt bei diesem Verfahren die Kappe (Fruchtkörper) des Pilzes zum Einsatz. Dabei werden auf Bäumen wachsende parasitäre Pilze nach der Ernte zugeschnitten und von Hand in die gewünschte Grösse gezogen. Pilzleder ist für industrielle Zwecke weniger geeignet, da es sich um ein natürliches Material handelt und somit jedes Stück ein Unikat ist. Es bewährt sich aber bei der Herstellung von kleinen Accessoires wie Portemonnaies.

Biotechnologische Verfahren

Verfahren, bei welchen Mikroben für die Herstellung lederidentischer Stoffe genutzt werden, erleben zurzeit einen regelrechten Boom. Viele biotechnologische Ansätze basieren auf der Fermentation durch Mikroben, die Zellulose, Myzelium oder andere biobasierte Polymere produzieren. Die Technik gilt als zukunftsweisend, die Vorteile dieser Alternativen sind im Vergleich zu Tierleder zahlreich.

Myzelbasierte Lederalternativen

Ein zentraler Bestandteil vieler Pilze ist das Myzel, ein unterirdisches Netzwerk aus feinen, fadenförmigen Strukturen (Hyphen), welche die Wurzeln der Pilze bilden. Dieses Myzel nutzen die Hersteller von Myzelium-Lederalternativen: Zunächst werden die Sporen in einem nährstoffreichen, meist aus organischen Abfällen bestehenden Substrat kultiviert. Damit sich das Leder in der gewünschten Form entwickelt, nehmen die Hersteller zum Teil auch ein Trägermaterial aus biologisch abbaubaren Polymeren oder Baumwolle. Das Myzelium wächst durch das Substrat und bildet so ein dichtes Netzwerk von Fäden. Hat es die gewünschte Grösse erreicht, wird es geerntet, getrocknet und haltbar gemacht. Sowohl haptisch als auch optisch erinnert das Endprodukt stark an Tierleder. 

Leder aus Zellkulturen

Die Herstellung von kultiviertem Leder erfolgt ähnlich wie jene von kultiviertem Fleisch. Einer lebenden Kuh bzw. einem Rind werden mittels Biopsie Zellen entnommen, welche in einem Bioreaktor in einer Nährlösung heranwachsen, bis das Leder geerntet werden kann. Ein Unternehmen, das an der Herstellung von kultiviertem Leder forscht, ist das 2016 gegründete Start-up «Vitrolabs» aus San Francisco/USA. Zurzeit ist das Produkt noch in der Pilotphase, hat jedoch bereits finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe erhalten.

Weiteres

Leaf Leather   
Leder aus Laub? Genau das produziert das Londoner Start-up «Biophilicia». Aus Grüngut öffentlicher Parks, landwirtschaftlichen Abfällen sowie einem Bindemittel aus Algen stellt es die innovative Lederalternative «Treekind» her. Diese ist völlig kunststofffrei, recycelbar und soll sogar privat kompostierbar sein. Laut dem Unternehmen wird bei der Herstellung nur 0,1 % des Wassers verbraucht, das für die Verarbeitung von Leder benötigt wird. Treekind eignet sich für Uhrenarmbänder, Schmuck sowie Modeaccessoires. Anwendungsmöglichkeiten in der Möbel-, Schuh- sowie Automobilbranche befinden sich noch in der Entwicklung.

Korkleder 
Korkleder wird aus der Rinde der Korkeiche hergestellt. Diese bildet eine 3 bis 5 cm dicke Rinde, welche nach der Ernte wieder nachwächst. Bis zur ersten Ernte vergehen rund 25 Jahre, die nächste folgt nach ca. neun bis zwölf Jahren. Die Bäume wachsen für viele europäische Produzenten in der Algarve/Portugal. 
Für die Korklederherstellung ist nur die innere Schicht der Rinde verwendbar; diese wird mit pflanzlichen Klebstoffen zu grösseren Platten verbunden und anschliessend dünn geschnitten. Zum Schluss wird die Masse auf ein Trägermaterial aufgetragen und versiegelt.

Lederalternative aus Holz 
Das deutsche Unternehmen «NUO» produziert seit 2012 aus Holz veganes Leder. Es ist mit dem V-Label zertifiziert und verwendet für seine Produkte ausschliesslich Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Die Lederalternative wird in der Möbel-, Mode- sowie Automobilindustrie eingesetzt.

Papierleder 
Aus einer Mischung aus Zellulose und Latex lässt sich sogenanntes Papierleder herstellen. 
Der bekannteste Produzent in diesem Bereich ist die «Snaply GmbH» mit Sitz in Deutschland. Seit 2015 produziert das Unternehmen «SnapPap», ein waschbares Papier mit Lederoptik. Es eignet sich laut der Firma besonders für die Näh- und DIY-Szene. Das Produkt ist 100 % vegan und soll besonders reissfest sein. Zudem kann es gewaschen, getrocknet und sogar gebügelt werden. Ein weiterer Hersteller ist «KORKundKULÖR», welcher für die Produktion seines farbigen Papierleders FSC-zertifizierten Zellstoff verwendet. Je nach Unternehmen besteht Papierleder aus rund 60 % Zellulose, der Rest setzt sich aus Latex und Farbpigmenten zusammen.

Abb. 3: Überblick über die Materialeigenschaften der verschiedenen Alternativen.

Zukunftsaussichten

Der Swissveg Lederreport zeigt auf, dass der vegane Ledermarkt zurzeit massgeblich von Produktionsverfahren geprägt wird, die auf pflanzlichen Nebenprodukten basieren. Dies belegen auch die zahlreichen Brands, welche Schuhe und Accessoires aus innovativen Materialien anbieten. Besonders hervorzuheben sind Apfel- und Kaktusleder, die zurzeit vermutlich zu den am häufigsten verwendeten Alternativen zählen. Auch die Technik mit Mycelium ist weit fortgeschritten. Diese bietet zahlreiche Vorteile; beispielsweise besteht das Endprodukt komplett aus bio-basierten Rohstoffen und ist dadurch vollständig biologisch abbaubar. Wie halt- und belastbar das Material ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Eine weitere zukunftsweisende Technik ist jene mit Nanozellulose, die äusserst schnell wächst, plastikfrei und biologisch abbaubar ist. Die Entwicklung steckt jedoch noch in den Kinderschuhen, bisher ist noch kein Produkt marktreif. Alternativen aus tierischem Kollagen werden voraussichtlich weniger Erfolg haben, zumal sie extrem teuer sind und zurzeit nur ein Unternehmen intensiv daran forscht. Es ist davon auszugehen, dass der plant-based Ledermarkt in den nächsten Jahren weiter stark wächst und bestehende Unternehmen serienreife Produkte hervorbringen.

Produktliste

Heute bieten die meisten Unternehmen auch Produkte aus Kunstleder an. Dies gilt sowohl für die Fashionbranche als auch die Möbel- und Autoindustrie. In der Produktliste beschränken wir uns deshalb auf Marken, die für ihre Produkte neue bzw. innovative Lederalternativen einsetzen. Alle aufgeführten Marken verwenden Leder aus pflanzlichen Nebenprodukten mit Ausnahme der Amsterdamer «O My Bag», die zusätzlich «Mirum» einbindet. Die vollständige Produktliste ist im PDF Report zu finden. 

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  1. www.fortunebusinessinsights.com/leather-goods-market-104405
  2. Swissveg. (o. D.). In wessen Haut stecken Sie? Swissveg. www.swissveg.ch/pelzohnehaare?language=de
  3. Introspective Market Research. (2024, 1. Juli). Plant Based Leather Market | Overview and Outlook by Potential Growth 2032. https://introspectivemarketresearch.com/reports/global-plant-based-leat…
  4. Williams, E., Cenian, K., Golsteijn, L., Morris, B. & Scullin, M. L. (2022b). Life cycle assessment of MycoWorks’ ReishiTM: the first low-carbon and biodegradable alternative leather. Environmental Sciences Europe, 34(1). https://doi.org/10.1186/s12302-022-00689-x
  5. European Bioplastics. (o. D.). Fact Sheet European Bioplastics: Begriffe, Werkstofftypen und Technologien – eine Einführung. In European Bioplastics [Fact sheet]. www.petroplast.ch/fileadmin/pdf/HOI_Biokunststoffe_120911.pdf
  6. Cracow University of Technology, (2015, 10. Juli). Bio-Polyurethane aus natürlichen Quellen. CORDIS | European Commission. https://cordis.europa.eu/article/id/165099-biopolyurethanes-from-natura…
     
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