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Scharkas persönliche Geschichte, wie sie zur Veganerin wurde.

Vegan = gewaltfrei

Eigentlich müssten Sie Urs Hochstrasser dank des Vegi-Info kennen. Letzten Sommer nahm ich an seinem eintägigen Rohkost-Seminar teil. Ganz locker und mit Selbstverständlichkeit brachte er den Satz ein: «Keine andere Spezies nimmt nach dem Abstillen noch Milch zu sich.»

Nichts logischer als das, selbstverständlich, das wissen wir ja alle. – Wissen wir’s? Dass der Satz in den kommenden Wochen an mir nagen und eine Wende in meiner Ernährung initiieren würde, hätte ich an jenem Tag nicht gedacht.

«Ich bin entsetzt über mich»

Schwer zu denken gibt mir bis heute, dass ich 23 Jahre vegetarisch lebte und den Konsum von Milchprodukten nie hinterfragte! Was läuft schief, dass gar bewusste Menschen wie ich – ich bilde mir nun mal ein, recht bewusst zu sein – auf halber Strecke stecken bleiben und nicht auf die Idee kommen, dass die Produktion von Milchprodukten ebenso Tier- und Menschenelend verursacht und den Planeten Erde ausbeutet wie die Fleischproduktion? Ich will nicht pathetisch sein, aber ich bin schlichtweg entsetzt über mich. Dabei hatte ich zwei Jahre zuvor einen Kuhstall besucht, und das Herz war mir fast gebrochen, als mich das von der Mutter getrennte Kälblein völlig in Beschlag nahm. Ich hatte den Bauern, den Bruder eines guten Freundes, gestellt und mit ihm darüber diskutiert. – Und meinen Milchproduktekonsum nicht hinterfragt!
Klar, die Milchlobby steckt Milliarden an Subventionsgeldern – ach ja, das sind ja meine Steuern – in Werbung und macht uns weis, wie gesund Milch ist, wie naturverbunden das Produkt ist und, und, und. Ich will Sie mit den für einen Vegi-Info-Leser längst bekannten Fakten nicht langweilen. Weder Sie noch ich haben der Milchlobby je geglaubt und trotzdem weiter fleissig Milch, Käse, Butter und Co. konsumiert. Na ja, Sie hoffentlich nicht, aber ich.

Vegan = gewaltfrei ist normal

Finden Sie nicht, es ist an der Zeit, dass wir aufstehen und die Menschheit aufklären? Wollen Sie noch generationenlang warten, bis die Welt vegan = gewaltfrei ist? Genügt es Ihnen das Vegi-Info zu lesen und zuzuschauen, wie Tiere weiter gefoltert werden, wie Menschen weiter an Krebs erkranken und ihre Familien unendlich leiden, wie Wälder abgeholzt werden, damit das Schwein, welches zum Steak auf dem Teller Ihres Nachbarn verarbeitet wurde, zu fressen hat? Mir nicht. Ich möchte, dass ich beim Bäcker/Konditor ein veganes Sandwich und eine vegane Patisserie kriege und dass ich vegane Schuhe in einem Laden an der Ecke finde. Genauso möchte ich schicke warme vegane Kleider kaufen können, denn die Lust auf Wolle ist mir wirklich vergangen, und mit dem Faserpelz kann ich schlecht zur Arbeit gehen. Ebenso sehe ich nicht ein, dass man vor dem Manor und dem St. Annahof an der Bahnhofstrasse nicht vegane Imbissstände antrifft, und schon gar nicht, dass vor der Hundemesse in Winterthur Bratwürste verkauft werden, obwohl der Vegi-Imbiss-Wagen dasselbe auf ethische Art anzubieten hätte.
Was ich also will, ist, dass vegan = gewaltfrei normal ist auf der Welt.
Wie packen wir’s an? Warum nicht mit dem weisen Satz gehen: «Jeder fängt bei sich selber an.» Cheesy hat es uns vorgemacht und wurde von einem Tag auf den anderen vegan. Hut ab. Bei mir ging das etwas anders.

Scharka die Schlemmtante

Betrachten Sie mich bitte als eine Schlemmtante, eine absolute Geniesserin und als eine ganz normale Bürgerin. Ich bin weder ein Vorstandsmitglied bei der SVV, der Tierpartei oder bei sonst einer Organisation, noch eine Fachfrau für Tier-, Umwelt- oder Gesundheitsfragen. Ich bin lediglich eine Interessierte wie Sie, die halt gerne schreibt.
Zweimal die Woche machte ich Halt beim Baumann und leistete mir ein unwiderstehliches Eiercanapé und eine ebensolche Truffeschnitte. An zwei anderen Wochentagen besuchte ich auf dem Arbeitsweg die Migros, wo ich mir die Schoggi-Heidimilch kaufte und diese dann mit dem Hund meiner Teamkollegin in der Agentur netterweise teilte. Dazu leistete ich mir ein Buttergipfeli – von welchem ich ebenfalls an Pumba abtreten musste –, eins von den grossen, die vor Butter nur so triefen, für Fr. 1.20. So, und jetzt nagt also der Satz «Keine andere Spezies nimmt nach dem Abstillen noch Milch zu sich» an mir. Bestimmt kennen Sie in der Zwischenzeit Renato Pichlers Milch-Broschüre mit vielen weiteren aufrüttelnden Fakten zum Milchkonsum.

Umstellung mit Spass

Die Umstellung begann mit meinem Frühstücksmix: Wasser, ¾ Esslöffel Mandelpüree, eine Banane und Caotina-Kakao gemixt. Am Dienstag fuhr ich dann stolz ohne Halt am Baumann vorbei, mit etwas Tofu und einem Salat im Koffer meines Rollers Samba. Am Mittwoch hielt ich auch nicht mehr in der Migros, am Freitag aber schon. So reduzierte ich diesen Teil meines Milchproduktekonsums um exakt die Hälfte. Gleichzeitig kaufte ich für den Gebrauch zuhause keine Milchprodukte mehr und entdeckte all die pflanzlichen Milch- und Rahmsorten. Ich stellte fest, dass es mir zuhause nicht schwer fiel vegan zu essen und mir der Käse eigentlich nicht fehlte. Etwas durchbeissen musste ich mich bei der Pasta, die ich mit Reibkäse wirklich viel leckerer fand. Nach ca. 3 Monaten war die Durststecke aber durch, und die innere Befriedigung vegan zu essen machte alles vielfach wett.
Nach ein paar Wochen hielt ich nur noch alle zwei Wochen beim Baumann und nannte mich 2/3-vegan. Beim Hiltl bestellte ich nach wie vor das fantastische vegetarische, aber nicht vegane Cordon bleu und schöpfte mir vom Buffet die Schoggimousse. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit mir und fand, auch als 2/3-Vegane würde ich viel zum Wohl des Planeten beitragen.
Worum es mir hier geht: Nicht alle Menschen funktionieren wie Cheesy. Die Umstellung soll vor allem Spass machen und eine innere Befriedigung hervorrufen. Wenn es ein Willensakt oder eine Entscheidung der Vernunft ist, kann es einfach nicht gelingen. Wenn Leute zu mir sagen: «Du hast aber einen starken Willen», dann sage ich immer: «Das kostet mich keine Willensanstrengung. Es ist mir ein inneres Bedürfnis, ein persönliches Anliegen, ich will es genau so. Es entspricht meinen inneren Werten.»

Mehr und mehr konsequent

Beim Baumann teilte ich mit, dass ich inzwischen 2/3-vegan sei und ich deshalb nicht mehr so oft gesehen würde. Seither betrat ich das Lokal nie wieder. Ich vergass es einfach anzuhalten und hatte sowieso schon meinen Frühstücksdrink genossen und etwas Feines im Koffer meiner Samba dabei zum Zmittag. Somit war ich nun ganz vegan, ohne dass ich es beabsichtigt hatte. Es ging einfach nicht mehr, nichtvegan zu essen, denn ich hatte mich gewandelt. Das Anliegen konsequent zu sein war in mir gewachsen, ganz von allein, einfach mit der Freude an jedem veganen Schritt, den ich schon gegangen war. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass mich Cheesy auf Facebook und mit ihrem Blog und den feinen Rezepten und einem kleinen Chat immer wieder inspirierte. Wir müssen den Weg nicht alleine gehen.
Ich suchte nun auch auf dem Shampoo und dem Duschgel nach dem Vegan-Zeichen und forderte die Verkäuferinnen in meinem Bioladen heraus. Sie waren mir sehr gerne behilflich. Das Hiltl mied ich noch wegen der Schoggimousse, inzwischen ist das aber nicht mehr nötig (neu: vegane Schoggimousse im Hiltl!). Und das Samses, das Tibits und das Bona Dea lassen ja keine veganen Wünsche offen. Kürzlich gelang sogar ein veganer Znacht mit einem lieben Swissveg-Freund im Kunsthaus – ich habe ihn am Swissveg V-Stammtisch kennengelernt. Ich rief einfach an vorher, und der Küchenchef hat uns sehr gerne etwas zubereitet. Wir erhielten sogar den Eindruck, das Personal habe es genossen uns extra zu bedienen. Natürlich hätten wir auch im Tibits essen können, aber ich bin der Meinung, dass jede Anfrage für veganes Essen in einem Nicht-Vegi-Restaurant ein gesäter Samen ist. Jedenfalls hat ein Catering-Service solch einer Anfrage wegen einen veganen Schokoladekuchen entwickelt und hat ihn ins Sortiment aufgenommen!

Sitzung am Milchbuck

Kommen wir auf die Frage zurück, wie wir’s anpacken wollen. Sie haben keine Ahnung? Ich auch nicht. Als ich wieder einmal meinen Alleingang durchboxte, liess mir eine Freundin einen Comic zukommen. Auf diesem steht zu lesen: «Wer allein arbeitet, addiert, wer gemeinsam arbeitet, multipliziert.»
In diesem Sinne lade ich Sie ein zu einer Sitzung bei mir am Milchbuck in Zürich. Sammeln wir gemeinsam Ideen für Projekte, wählen einen Schwerpunkt aus und arbeiten ein Vorgehenskonzept aus.

Scharka Cernochová

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