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Steuermillionen für die Fleischlobby

Mit Direktzahlungen von 2,8 Milliarden Franken unterstützt der Bund die Schweizer Landwirtschaft jährlich. 

Zusätzlich fliessen über zahlreiche weitere Kanäle Bundesmillionen in die Landwirtschaft, insbesondere profitieren davon die grossen Lobbyorganisationen und die darin zusammengeschlossenen Konzerne. 

Derzeit existieren in der Schweiz 55'000 Bauernbetriebe. Geht man von durchschnittlich vier Personen aus, die auf einem Hof leben, kommt man auf geschätzte 220'000 Personen, die direkt vom Bauernhof abhängig sind. Im Gegensatz dazu leben ungefähr drei Prozent der Schweizer Bevölkerung vegetarisch, das sind also um die 240'000 Personen. Man kann also sagen, dass ungefähr gleich viele Vegetarier in der Schweiz leben wie Landwirte. Und trotzdem zeigen neuste Zahlen, wie unverhältnismässig viel staatliche Unterstützung die Schweizer Landwirte erhalten.

Der Schweizerische Bauernverband (SBV)

In den meisten Vereinen gilt die übliche Praxis, jährlich einen Einzahlungsschein zu versenden. Durch die Überweisung des Mitgliederbeitrags erneuert sich die Mitgliedschaft. Nicht so beim Schweizer Bauernverband (SBV): Dort erneuert sich in den meisten Kantonen automatisch die Mitgliedschaft, wenn sich ein Betrieb einmal dafür ausgesprochen hat. Praktisch für den SBV: Der Mitgliederbeitrag wird jeweils direkt vom Staat an den Verband ausbezahlt. Das funktioniert so: Das kantonale Amt für Landwirtschaft zieht fällige Mitgliederbeiträge von den Direktzahlungen des Bundes ab und überweist sie direkt an den kantonalen Bauernverband. Dieser wiederum leitet einen Teil davon weiter an den SBV. Im Jahr 2013 kamen auf diese Weise total 6,7 Millionen Franken Beitragsgelder zusammen. Ein wesentlicher Teil dieser Beitragsgelder wurde somit mit Hilfe der kantonalen Landwirtschaftsämter eingezogen und fand den Weg direkt aus der Steuerkasse des Bundes auf das Konto des SBV. Ziemlich erstaunlich für einen der mächtigsten Schweizer Interessenverbände. Auch Rechtsexperten fragen kritisch, ob für dieses staatliche Inkasso überhaupt eine rechtliche Grundlage existiert.

Weitere Fördergelder

Zu den Mitgliederbeiträgen, die von der Staatskasse direkt an den SBV fliessen, kommen weitere 2,2 Millionen Franken Bundessubventionen unter der Rubrik «Absatzförderung und Basiskommunikation» hinzu. Dieser Posten findet sich so jedoch in keiner Tabelle, weder im Agrarbericht 2013 des Bundes noch im SBV-Jahresbericht. Dabei geht bei «Agristat», dem statistischen Dienst des SBV, sonst keine einzige Zuckerrübe vergessen.

Zwangsabgaben für Marketing und Kommunikation

Eine weitere Einnahmequelle spült dem Bauernverband zusätzliche Millionen in die Kassen. Und zwar können der SBV und weitere Branchenorganisationen auch Nicht-Mitglieder zur Zahlung von Beiträgen zwingen, wenn es um sogenannte «Selbsthilfemassnahmen» zur Qualitätssicherung geht und wenn der Bundesrat zustimmt. Demnach ist beispielsweise der Bauernverband bis Ende 2015 vom Bundesrat ermächtigt, für Marketing und Kommunikation auch bei Nicht-Mitgliedern Zwangsbeiträge einzukassieren. Gleiches gilt für den Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) unter dem Titel «Marktforschung, Basiswerbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketingmassnahmen».

Millionen-Subventionen für die Fleischwerbung

Bundessubventionen erhalten auch andere Lobbyorganisationen, wie zum Beispiel die Proviande Genossenschaft, die Werbeplattform der Schweizer Fleischwirtschaft mit der bekannten Marke «Schweizer Fleisch». Fast zwei Drittel der Proviande-Jahreseinnahmen von rund 20 Millionen Franken stammen aus der Bundeskasse, ohne dass dies im Jahresbericht explizit sichtbar wird. Für die Absatzförderung erhält Proviande 6,1 Millionen und für den Vollzug der sogenannten Schlachtviehverordnung weitere 6,3 Millionen, also insgesamt 12,4 Mi­l­lionen Franken aus der Bundeskasse. 

Schweizer Fleisch: TV-Sponsoring für Giacobbo/Müller

Proviande ist mit seiner Werbekampagne «Schweizer Fleisch. Alles andere ist Beilage» omnipräsent, sei es auf Plakaten, Inseraten oder in der TV-Werbung. Von den Bundessubventionen der Proviande profitieren beispielsweise die beiden SRF-Sendungen Giacobbo/Müller und Meteo, aber auch die Ski-Weltcuprennen von Adelboden und Wengen, die Sportverbände Swiss Ski und Swiss Tennis sowie per teure Hochglanz-Inserate die 23 auflagenstarken Publikumszeitschriften in der ganzen Schweiz, von der Schweizer Illustrierten bis zum L’Hebdo. All diese Werbeanstrengungen sind nur möglich dank der staatlichen Unterstützung, die Herrn und Frau Schweizer das Nahrungsmittel Fleisch schmackhaft machen soll. Fairerweise muss gesagt werden, dass auch der Absatz pflanzlicher Produkte vom Bund gefördert wird, allerdings sind diese Beiträge im Gegensatz dazu bescheiden: 573000 Franken werden zur Vermarktung der Kartoffel, 724000 Franken für Gemüse und immerhin 2,3 Millionen Franken für Obst an die entsprechenden Verbände ausbezahlt.

Fleischvermarkter reiben sich die Hände

Jetzt könnte man denken, dass die Fleischbranche am Hungertuch nagt und deshalb auf diese grosszügige Unterstützung angewiesen ist. Doch das ist nicht der Fall, schliesslich generieren die drei grössten Fleischvermarkter jährlich Milliardenumsätze und Millionengewinne. Beispielsweise verzeichnete die Bell-Gruppe 2013 einen Umsatz von 2,6 Milliarden Franken und einen Gewinn von 76 Millionen. Bell-Chef Lorenz Wyss lässt sich mit 713000 Franken Jahreslohn nicht lumpen.
Neben Proviande gibt es auch noch den Landwirtschaftlichen Informationsdienst (LID). Auch dieses PR-Instrument der Bauernlobby subventioniert der Bund, und zwar unter dem Titel «Absatzförderung und Basiskommunikation» mit 420000 Franken, was einem Fünftel des LID-Jahresbudgets entspricht. Im publizierten LID-Jahresbericht steht nichts darüber.

Unfaire Bevorzugung

Angesichts der horrenden Summen, die hauptsächlich zugunsten der Fleischlobby eingesetzt werden, ist es durchaus angebracht, sich darüber aufzuregen. Doch wie ist diese unfaire Bevorzugung überhaupt entstanden? Ursprünglich war der Grund die Sicherung der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. Doch diese Zeiten sind längst vorbei, nur die Subventionskanäle sind von damals noch übrig geblieben. Heute kümmern sich die Verbände um die Überproduktion und die Aufrechterhaltung der ungesunden, auf Milch und Fleisch basierenden Ernährung, welche die Bevölkerung nachweislich und unbestritten krank macht. Ein weiterer Grund ist aber sicher auch, dass die Landwirte besser organisiert sind. Dieser relativ kleine Teil der Bevölkerung hat es verstanden, in der Politik auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, indem sie sich zu einem Verband zusammengeschlossen haben, der sich für ihre Interessen einsetzt. Ein Vorgehen, aus dem Vegetarier durchaus etwas lernen können. Schliesslich braucht es eine professionelle Organisation, die sich mit genügend finanziellen Ressourcen für ein gemeinsames Ziel einsetzen kann. Wer sich also eine stärkere Präsenz der vegetarischen Anliegen in Politik und Öffentlichkeit wünscht, sollte sich Swissveg als Mitglied anschliessen. Denn nur mit vereinter Unterstützung gelingt es dem einzigen vegetarischen Verein der Schweiz, die Interessen der Vegetarier lautstark zu vertreten.

Bernadette Raschle

Quellen: 
Pro Natura Magazin 1/2015 
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Agrarbericht 2014

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